
Ein Übersetzer der Bundeswehr aus Afghanistan fleht um HilfeWarum lasst ihr mich zurück?
Am Dienstag, um kurz vor Mitternacht, stand ich im Tower des Flughafens von Masar-i-Scharif. Von dort oben beobachtete ich, wie die letzten Bundeswehrsoldaten in Flugzeuge stiegen, um Afghanistan für immer zu verlassen. Ich war in diesem Moment extrem traurig. Mir ging immer wieder ein Gedanke durch den Kopf, als ich die Rücklichter der Bundeswehrmaschine sah: "Hey Freunde, warum lasst ihr mich zurück?"
Mein Name ist Ahmad Jawid Sultani, ich bin in Masar-i-Scharif geboren und 31 Jahre alt. Ich habe von 2009 bis 2018 für die Bundeswehr als Übersetzer gearbeitet, und nun fürchte ich um mein Leben. Die Taliban stehen vor den Toren von Masar-i-Scharif. Die Zugangsstraßen sind blockiert, überall sind Kämpfe. Der letzte Ausweg aus der Stadt ist der über den Flughafen, die Deutschen haben ihn genutzt.
Im Jahr 2009 hatte ich gerade ein Zertifikat in einem Englisch-Sprachkurs bekommen, und ich hatte den Wunsch, meinen Teil zu Frieden und Stabilität in meinem Land beizutragen. Ich wollte gerne mit den deutschen Truppen zusammenarbeiten. Obwohl meine Familie absolut dagegen war, habe ich mich bei ihnen im Camp Marmal beworben.
Der Bewerbungsprozess hat drei Monate gedauert, als ich dann den Anruf der Deutschen bekam, haben sie mir gesagt: "Wir gehen überall zusammen hin, was uns passiert, passiert auch dir. Wir bekämpfen zusammen den Terrorismus, wir gehen überall hin, wo die Aufständischen sein könnten, und du bist ganz vorne dabei." Das hat mich erst verängstigt. Ich bat um 24 Stunden Bedenkzeit und habe dann zugesagt, weil ich den Deutschen vertraut habe - und mein Vater mir auch gesagt hat, dass wir Afghanen gute Beziehungen mit Deutschland haben, die Deutschen seien alte Freunde unseres Landes.

Es wäre furchtbar, wenn sie mich zur Schau stellen würden
Heute bedauere ich sehr, dass ich für die Bundeswehr gearbeitet habe. In den Augen der Taliban habe ich mit dem Feind gearbeitet, und auch in der Nachbarschaft gibt es Gerüchte über mich, dass ich ein Spion gewesen sein könnte oder mit den Deutschen Schweinefleisch gegessen hätte, dass ich kein guter Muslim sei. Meine Nachbarn sagen nun zu mir: "Weißt du nicht, dass die Taliban vor der Stadt stehen? Du wirst ihr erstes Ziel sein, in ihren Augen bist du ein Verräter." Manchmal denke ich daran, dass die Taliban, sobald sie in die Stadt eingedrungen sind, zu unseren Häusern kommen und an die Türen von uns Übersetzern klopfen werden. Für den Fall hoffe ich, dass sie mich gleich erschießen. Es wäre furchtbar, wenn sie mich foltern und zur Schau stellen würden, um anderen eine öffentliche Lektion zu erteilen.