Corey Gil-Shuster, Direktor des International Program in Conflict Resolution and Mediation an der Universität Tel Aviv, während Dreharbeiten.

Corey Gil-Schuster und sein palästinensisch-israelisches "Ask-Project"
"Es ist nie nur schwarz oder weiß"

Der in Israel lebende kanadische Konfliktforscher Corey Gil-Shuster hat in über tausend YouTube-Videos Israelis und Palästinenser über ihre Einstellung zum Konflikt befragt. Mit seinem "Ask Project" will der Direktor des International Program in Conflict Resolution and Mediation der Universität Tel Aviv einen Einblick in die Einstellungen beider Seiten geben. Inge Günther hat mit ihm für Qantara.de gesprochen.

Herr Gil-Schuster, in Ihren Interviews stellen Sie Fragen, die Ihnen Menschen aus aller Welt mailen. Wie lautete die erste Frage?

Corey Gil-Schuster: Es gab da eine Gruppe von etwa 30 Menschen, die glaubten, alles zu wissen. Irgendjemand äußerte etwas zur Ein-Staaten-Lösung, und ich sagte, großartig, kann ich daraus eine Frage machen? Als erstes fragte ich Nachbarn in Tel Aviv wie den Obstverkäufer und andere. Ich hatte null Erfahrung, wie man solche Interviews bearbeitet, aber als ich sie zu einem digitalen Film zusammengestellt hatte, erkannte ich, wie wirkungsvoll solche Fragen sind, um eine Konfliktsituation zu verstehen.

Danach gingen Sie in die Westbank oder nach Ost-Jerusalem, um Palästinenser das Gleiche zu fragen?

Gil-Schuster: Es hat ein paar Monate gedauert. Zuvor war ich nur als Tourist in den palästinensischen Gebieten gewesen. Dann habe ich ein paar Palästinenser gefragt, ob ich mein Projekt in ihren Dörfern ausprobieren darf. Die ersten Videos von dort waren schlecht übersetzt – von Freunden, die aushalfen. Danach habe ich dann professionelle Übersetzer angeheuert.

Einige Ihrer Fragen wirken ziemlich provokativ. Stellen Sie sich und das Projekt zuerst vor? Wie verhindern Sie wütende Reaktionen?

Gil-Schuster: Ich gebe nicht zu viele Vorinformationen. Ich sage nur, hallo, ich habe ein Projekt auf YouTube und möchte dafür ein paar Fragen stellen, die aus dem Ausland kommen. Würden Sie darauf vor der Kamera antworten? Es ist sehr wichtig, dass die Interviewten wissen, die Sache ist für die Öffentlichkeit bestimmt.

 

Israelis haben damit meist kein Problem, eher sorgen sie sich um ihr Aussehen und die Frisur. Palästinenser sind oft besorgt, ob eine öffentliche Äußerung für sie gefährlich sein könnte. Deshalb achte ich sehr auf ihre Sicherheit. Das ist alles.

"Manche Fragen sind richtig schrecklich"

Klingt einfach, gibt es da kein Misstrauen?

Gil-Schuster: Ich glaube, die Menschen erwarten triviale Fragen, nichts über Politik. Man sieht es an ihren Augen, wenn ich meine Fragen dann stelle. Einige davon sind richtig schrecklich.

Bitte ein Beispiel.

Gil-Schuster: Meine schlimmste Frage richtete sich an israelische Juden: "Warum behandelt ihr die Palästinenser eigentlich so, wie die Nazis einst die Juden?" Es hat mir wirklich weh getan, das zu fragen. Aber ich habe es getan und dazu gesagt, es sei nicht meine eigene Frage, aber ich würde sie trotzdem stellen. Manchmal schauten die Interviewten dann schockiert. Dennoch finde ich es wichtig für sie zu verstehen, dass Menschen außerhalb Israels Fragen haben, die sie vielleicht für nicht legitim halten. Wenn sie auf eine Frage nicht antworten wollen, ist das auch okay.

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