Neue Demonstrationen im Libanon nach erstem Toten bei Protesten

Nach dem ersten Toten bei den Protesten im Libanon wächst die Wut auf die Führung des Landes. Demonstranten blockierten am vergangenen Mittwoch Straßen in der Hauptstadt Beirut sowie Verbindungsstraßen ins Umland. In den sozialen Medien kursierten Aufrufe zu weiteren Protesten, viele Nutzer betrauerten den Tod des Demonstranten.

Einige Hundert Menschen versammelten sich an einer blockierten Zufahrtsstraße zum Präsidentenpalast in Beirut. Begleitet von Trommeln riefen sie dort immer wieder «Revolution, Revolution» und «Das Volk will den Sturz des Regimes». Viele Demonstranten trugen libanesische Fahnen. Damit wollen sie ausdrücken, dass sie die konfessionelle Spaltung des Landes am Mittelmeer überwinden wollen.

Die Proteste gegen die Führung des Libanon waren vor rund einem Monat ausgebrochen. Sie richten sich gegen die weit verbreitete Korruption und die schlechte Wirtschaftslage. Mit dem Protestruf «Alle heißt alle» untermauern sie ihre Forderung nach einem Austausch der Führungselite.

Im Libanon ist die Macht nach einem Proporzsystem unter den religiösen Gruppen aufgeteilt. Die drei größten Gruppen machen Sunniten, Schiiten und Christen aus. Daneben gibt es religiöse Minderheiten. Der Demonstrant war am Dienstagabend südlich von Beirut von einem Soldaten getötet worden. Die Armee erklärte, eines ihrer Fahrzeuge sei in dem Vorort Chalda von einer Gruppe von Demonstranten blockiert worden, wie die staatliche Nachrichtenagentur NNA meldete. Einer der Soldaten sei gezwungen gewesen, das Feuer zu eröffnen.

Ärger unter den Demonstranten löste auch ein TV-Interview von Staatschef Michel Aoun am Dienstagabend aus. Er rief dazu auf, die Proteste zu beenden, weil das Land ansonsten vor einer «Katastrophe» stehe. «Das Land wird sterben, wenn die Demonstranten auf der Straße bleiben, selbst wenn wir gegen sie keine Gewalt einsetzen», erklärte Aoun. Kurz nach dem Interview kam es in Beirut zu neuen Protesten.

Laut aktuellen Medienberichten soll nun der ehemalige Finanzminister Mohammad Safadi das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen. Darauf verständigten sich mehrere große Parteien, wie die Sender LBCI und MTV meldeten. Zu der Einigung sei es bei einem Treffen zwischen dem bisherigen Ministerpräsidenten und führenden sunnitischen Politiker Saad al-Hariri mit hochrangigen Vertretern der schiitischen Gruppen Hisbollah und Amal gekommen. Al-Hariri hatte seinen Rücktritt Ende Oktober angekündigt, nachdem es zu landesweiten Protesten gegen Misswirtschaft und Korruption gekommen war. (dpa/Reuters)