Libanons Regierungschef Saad Hariri kündigt seinen Rücktritt an

Unter dem Druck massiver Proteste hat Libanons Regierungschef Saad Hariri seinen Rücktritt angekündigt. Er werde mit seiner gesamten Regierung beim Präsidenten den Rücktritt einreichen, sagte Hariri am Dienstag in einer Fernsehansprache. Im Libanon gibt es seit bald zwei Wochen massive Proteste gegen die politische Führung, welche die Demonstranten für die desolate wirtschaftliche und soziale Lage im Land verantwortlich machen.

"Ich begebe mich in den Baabda-Palast, um dem Präsidenten der Republik den Rücktritt meiner Regierung anzubieten", sagte Hariri, der seit 2016 im Amt ist. Von den Demonstranten, die den Auftritt live im Fernsehen verfolgten, wurde die Ankündigung mit Jubel aufgenommen. Der libanesische Staat ist hochverschuldet. Zudem kämpft das Land seit Jahren mit einer massiven Müll- und Umweltkrise sowie permanenter Stromknappheit.

Hariri, der ursprünglich am Mittwoch zu einem Besuch in Deutschland erwartet wurde, appellierte an alle Parteien, der Verantwortung für den Schutz des Libanons gerecht zu werden. Erst vergangene Woche hatte der Regierungschef die Demonstranten mit dem Versprechen zu beruhigen versucht, gegen Korruption vorzugehen und überfällige wirtschaftliche Reformen umzusetzen. Da er jedoch keine konkreten Schritte folgen ließ, um diese Versprechungen umzusetzen, ebbten die Proteste nicht ab.

Im politischen System des Libanon sind die Spitzenposten unter den wichtigsten Religionsgruppen aufgeteilt. So ist der Präsident ein Christ, der Regierungschef ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit.

Hariri steht einer Koalitionsregierung vor, die auch von der schiitischen Hisbollah-Bewegung mitgetragen wird. Der Unternehmer und Milliardär ist der Sohn des ermordeten Politikers Rafik Hariri und war bereits von 2009 bis 2011 Ministerpräsident.

Das Mittelmeerland steckt in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, die mit finanziellen Belastungen und täglichen Entbehrungen einhergehen - wie zuletzt im Bürgerkrieg zwischen 1975 und 1990. Die Proteste gegen die wirtschaftlichen und politischen Eliten erfassten seit dem 17. Oktober das ganze Land und führte zum weitgehenden Stillstand des öffentlichen Lebens. Am Dienstag blieben Banken und Schulen am zehnten Tag in Folge geschlossen. (AFP/Reuters)