Menschenrechtsorganisationen werfen Türkei Folter in Erdbebengebiet vor

Paris - Türkische Sicherheitskräfte sollen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen im Erdbebengebiet Menschen wegen des Verdachts auf Diebstahl und Plünderung geschlagen und gefoltert haben. Polizei und Armee nutzten den von Präsident Recep Tayyip Erdogan verhängten Ausnahmezustand als "Lizenz, um zu foltern", heißt es in einem am Mittwoch von Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) veröffentlichten Bericht.

Dafür waren 34 Männer befragt worden, zudem hatten die Organisationen Videomaterial zu 13 Fällen von Gewalt durch Polizei, Gendarmerie und Soldaten gesichtet. Ein Mensch sei in Gewahrsam gestorben, nachdem er gefoltert worden sei, heißt es in dem Report.

"Die Berichte und Bilder von mutwilliger Gewalt durch Ordnungskräfte sind erschütternd", sagte Amke Dietert, Türkei-Expertin bei Amnesty International Deutschland. "Die türkischen Behörden müssen unverzüglich strafrechtliche Ermittlungen zu allen Fällen von Folter und anderen Misshandlungen einleiten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen."

Der HRW-Direktor für Europa und Zentralasien, Hugh Williamson, nannte die "glaubwürdigen" Berichte über Mitglieder von Polizei und Armee, die Menschen "brutal und über längere Zeit verprügeln" sowie willkürlich festhielten, "schockierend".

Unter den Befragten befanden sich den Menschenrechtsaktivisten zufolge zwölf Opfer von Folter und anderen Misshandlungen sowie zwei Männer, die von Gendarmen mit der Waffe bedroht worden waren. Die meisten Misshandlungen fanden dem Bericht zufolge in der Stadt Antakya und in der Provinz Hatay statt. In vier Fällen handelte es sich demnach bei den Betroffenen um syrische Geflüchtete, es gebe dabei Hinweise auf rassistische Motive. Die meisten Befragten gaben an, nicht offiziell festgenommen, sondern unmittelbar geschlagen, getreten, geohrfeigt oder beschimpft worden zu sein. Nur in zwei der dokumentierten Fälle hatte es laut dem Bericht Ermittlungen gegeben.

Schon vor der Veröffentlichung des Berichts hatte das türkische Justizministerium mitgeteilt, Ankara verfolge bei Folter eine "Nulltoleranz-Politik". Die genauen Ergebnisse der Untersuchungen seien dann von der Regierung pauschal zurückgewiesen worden, ohne dass auf die Einzelheiten des Berichts eingegangen worden sei, erklärten die Menschenrechtsorganisationen.

Bei den Erdbeben am 6. Februar mit einer Stärke von bis zu 7,8 waren nach Behördenangaben mehr als 50.000 Menschen in der Türkei und fast 6000 Menschen in Syrien ums Leben gekommen, Hunderttausende wurden obdachlos. (AFP)

 

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