Forscherin: Rassistische Äußerungen werden oft als normal angesehen

Bielefeld. Rassismus in Deutschland ist nach Worten der Rassismusforscherin Saphira Shure «keine Ausnahmesituation an den rechten Rändern». Die hohen Zustimmungswerte für die AfD zeigten, dass rassistische Äußerungen an vielen Stellen als normal wahrgenommen würden, sagte die Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Rassismus an der Universität Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). «Das halte ich für sehr gefährlich», sagte sie. epd-Gespräch: Holger Spierig



Strukturellen Rassismus hat es laut Shure in Deutschland schon lange gegeben, es sei nur nicht darüber gesprochen worden. Rassismus habe mit dem Ende des Nationalsozialismus in Deutschland als überwunden gegolten. Stattdessen seien andere Begriffe wie etwa «Fremdenfeindlichkeit» genutzt worden. «Heute sehen wir die Auswirkungen davon, dass wir all die Jahre so wenig den Diskurs um Rassismus als gesellschaftliches Prinzip geführt haben», sagte die Wissenschaftlerin.



Schülerinnen und Referendarinnen, die Kopftuch tragen, machten Rassismuserfahrungen. Wenn Menschen als Muslime eingeordnet würden, gehe es nicht immer um eine tatsächlich praktizierte Religion. Es werde eher generell eine bestimmte Herkunft, etwa aus arabischen Ländern, mit einem Muslimisch-Sein verknüpft. «Ebenso bewegen wir uns in der Debatte darüber, welche geflüchteten Menschen willkommen und welche weniger willkommen sind, in einem Feld, das mich schockiert», sagte Shure.



Auch die Berichterstattung der Medien sei nicht frei von antimuslimischem Rassismus, erklärte Shure. Bei der Berichterstattung über Ausschreitungen zu Silvester sei «sehr schnell generalisiert und sofort über das Thema der 'Integration der Anderen' gesprochen» worden. Dadurch werde eine Idee von Nicht-Zugehörigkeit gestärkt, die ein Grundproblem der gesellschaftlichen Verhältnisse sei.



Es gebe zwar auch eine Gegenbewegung, und es gebe zum Beispiel eine Bundesförderung im Bereich von Rassismusforschung, sagte Shure. «Es hat aber sehr lange gedauert, dass das überhaupt unter dem Begriff 'Rassismus' zum Thema werden konnte", erklärte die Wissenschaftlerin, die sich damit befasst, wie Rassismus im Studium, im Referendariat und im Berufseinstieg thematisiert wird. Ziel sei es, Pädagogen mit Blick auf Antirassismus zu professionalisieren und auch Schulen rassismussensibler zu gestalten.



Nötig ist nach Einschätzung Shures eine stärkere rassismustheoretische und -kritische Auseinandersetzung in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Dabei spielten Bildungsinstitutionen wie Schulen und Universitäten eine große Rolle. Auch in den Medien sollte genauer auf die Sprache geachtet und Generalisierungen vermieden werden. (epd)