Debatte nach Silvester-Krawallen in Berlin: „Kein Zeichen gescheiterter Integration"

Nach den gewalttätigen Angriffen auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht in Berlin hat die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) von einer "Zäsur" gesprochen.

Das Ende der Geduld sei überschritten, sagte Giffey am Freitag beim Besuch einer Feuerwache in der Hauptstadt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte bei dem gemeinsamen Termin mit Giffey eine konsequente Strafverfolgung der Täter. "Das ist wirklich eine neue Qualität, es ist eine neue Art der widerlichen Kriminalität, die wir unterbinden müssen", sagte die Ministerin.



Die Krawalle hätten einen "Werteverfall" und eine "Respektlosigkeit" offenbart, mit der Einsatzkräfte auch an allen anderen Tagen des Jahres konfrontiert seien, ergänzte Giffey. Wenn gestandene Feuerwehrleute und Polizisten sagten, so etwas hätten sie noch nie erlebt, "dann haben wir eine Zäsur". Silvester sei die "Spitze eines Eisbergs" gewesen, sagte die Regierende Bürgermeisterin und kündigte "konsequente Strafverfolgung" an. Mit den betroffenen Jugendlichen müsse künftig entschiedener umgegangen werden. Dass sich einige Jugendliche nicht mehr der Gesellschaft zugehörig fühlten, sei "ernst zu nehmen". Giffey sprach sich außerdem für zusätzliche Investitionen und weitere Ausstattung für Einsatzkräfte aus.



Faeser forderte neben einer konsequenten Strafverfolgung der Täter auch eine Verschärfung des Waffenrechts - etwa bei Schreckschusswaffen, die in der Silvestersprachnacht benutzt worden waren. Diese dürften nicht mehr ohne Erlaubnis erworben werden, sagte die Ministerin in der Hauptstadt.

 

Ausschreitungen "als Zeichen misslungene Sozialisation" 

 



Die CSU forderte wegen der Ereignisse finanzielle Sanktionen für die Berliner Landesregierung. "Der Länderfinanzausgleich ist der richtige Hebel", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. In der Europäischen Union sei es üblich, dass bei Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit Gelder für die betreffenden Staaten gekürzt würden. Wenn Berlin weiterhin politisch nicht gewillt sei, Recht und Gesetz umzusetzen, müsse es ebenfalls mit solchen Konsequenzen rechnen.

 

Die CDU-Politikerin Serap Güler wertete die Ausschreitungen "eher als misslungene Sozialisation" denn als Zeichen gescheiterter Integration. "Wir reden ja zum Beispiel bei Hooligans, Querdenkern oder Linksextremen, die Polizisten angreifen, auch nicht über Integration", sagte sie dem "Spiegel". Auch dort gebe es Verachtung gegenüber dem Staat. Die übergroße Mehrheit der Migranten halte sie an Recht und Gesetz.



Die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen für die bevorstehende Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus, Umweltsenatorin Bettina Jarasch, warnte vor einer Verengung der Debatte um die Krawalle auf einen Migrationshintergrund bei Verdächtigen. Zudem wandte sie sich im Rundfunk Berlin-Brandenburg gegen "kurzfristigen Aktionismus" beim Umgang mit jungen Tätern. Es gebe Dinge, die nun passieren müssten. "Aber nichts davon geht schnell."



Linken-Bundeschefin Janine Wissler warnte vor rassistischen Tönen in der Debatte. Der gezielte Beschuss von Rettungs- und Sicherheitskräften mit Silvesterraketen sei lebensgefährlich und schockierend, sagte Wissler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Das darf aber nicht zum Anlass genommen werden, um rassistische Ressentiments zu schüren." In diesem Zusammenhang kritisierte sie neben der Union auch Innenministerin Faeser.



Vertreter der FDP wandten sich gegen Verschärfungen des Waffenrechts. Es gebe schon "strenge Regelungen" ach für Schreckschusswaffen, erklärte der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin. Weitere Regulierungen seien nicht notwendig. Stattdessen müsse geltendes Recht "mit voller Härte des Rechtsstaats umgesetzt werden". (AFP)