
Unabhängigkeitsreferendum der Kurden im NordirakGefährliche Rivalitäten
Im geplanten Referendum der irakischen Kurden wird der ungelöste Konflikt zwischen Bagdad und der kurdischen Regionalregierung in Erbil erkennbar. Das Referendum wurzelt im „Recht auf Selbstbestimmung“ und in einem kurdischen Nationalismus, der sich im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) noch verstärkt hat. Zwar ist das Referendum rechtlich unverbindlich, aber die kurdische Regionalregierung wird versuchen, die Ergebnisse in Verhandlungen mit der irakischen Zentralregierung als Druckmittel zu benutzen.
Das Referendum soll dazu dienen, aus den territorialen Gewinnen der Kurden Nutzen zu ziehen, um den Einfluss der Regionalregierung in den territorial umstrittenen Regionen zu stärken, insbesondere in der Provinz Kirkuk und der Ninive-Ebene. Hierzu müssten allerdings die dort ansässigen Kurden und Nicht-Kurden davon überzeugt werden, dass sie von der kurdischen Regionalregierung mehr zu erwarten haben als von der Zentralregierung in Bagdad.
Doch die kurdische Selbstbestimmung – und mit ihr die Volksabstimmung – ist nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen Erbil und Bagdad, sondern auch eine Streitfrage zwischen einzelnen kurdischen Fraktionen. Zum einen wollen die Kurden mehr Autonomie vom irakischen Staat. Zum anderen ringen einzelne kurdische Gruppierungen um Macht, Geld und Ressourcen.
Der innerkurdische Wettstreit hat sich seit Ausbruch des Kampfes gegen den IS zugespitzt. Zudem stehen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihre Verbündeten sowie andere irakisch-kurdische Gruppierungen in Opposition zur Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) unter Leitung von Masoud Barzani.

Die entscheidende Frage nach dem Referendum wird nicht sein, ob ein „Ja“ die irakischen Grenzen oder den Status quo verändern wird, sondern welche Auswirkungen der Wettbewerb der kurdischen Parteien um politischen Einfluss auf die Gemeinschaft der Kurden und auf andere Gruppierungen haben wird.
Die meisten gut informierten Beobachter und viele kurdische Offizielle wissen, dass das Referendum nicht zur Unabhängigkeit führen wird. Trotz einer intensiven Lobby-Kampagne in Washington und in Europa ist es der Regionalregierung in Erbil nicht gelungen, die offizielle Unterstützung wichtiger regionaler und internationaler Akteure für das Referendum oder für die kurdische Abspaltung zu gewinnen.
Regierungen und Institutionen mögen das Recht der Kurden auf Selbstbestimmung bestätigen, das allen Völkern der Welt zusteht, und sie mögen den wichtigen Beitrag der kurdischen Peschmerga im Kampf gegen den IS anerkennen. Aber gleichzeitig verweisen sie auf die territoriale Integrität des Irak und dessen staatliche Souveränität.
Sogar der US-Kongress – wo die irakischen Kurden wichtige Fürsprecher haben – macht die künftige militärische Unterstützung der kurdischen Peschmerga davon abhängig, dass die kurdische Regionalregierung Teil des irakischen Staates bleibt.