
Macrons Pläne "zum Schutz französischer Werte"Entfremdete Muslime
Emmanuel Macrons jüngster Diskurs diente als eine Art Einleitung für einen Gesetzesentwurf gegen „separatistische“ Bedrohungen, der sich laut offizieller Aussage auch gegen Gruppen weißer Suprematisten richtet. Aber nach Ansicht vieler Beobachter zielt das geplante Regelwerk ganz klar auf den islamistischen Extremismus, und bereits jetzt, lange vor seiner Verabschiedung Ende dieses Jahres, löst es scharfe Kontroversen aus.
Während einige die sogenannten antiseparatistischen Bemühungen der Regierung für längst überfällig halten, fürchten die Vorsitzenden der etwa sechs Millionen Menschen starken – und damit europaweit größten – muslimischen Gemeinschaft Frankreichs, dass sie damit auf unfaire Weise ausgegrenzt werden. „Wir nähern uns dem Ende von Macrons erster Amtszeit“, erklärte etwa Jawad Bachare, der Direktor des Kollektivs gegen Islamophobie in Frankreich, das bisweilen auch beschuldigt wurde, Verbindungen zur Muslimbruderschaft zu haben. „Und vor jeder Wahl gibt es dieselben Fragen über Muslime und die Finanzierung der muslimischen Gebetsstätten.“
Die Angriffe auf Charlie Hebdo
Macrons Ansprache vom vergangenen Freitag wurde aufmerksam verfolgt. Nur wenige Tage zuvor waren vor dem ehemaligen Redaktionsgebäude der Zeitschrift Charlie Hebdo zwei Menschen durch Messerstiche schwer verletzt worden. Außerdem ist das Verfahren über die Terroranschläge von 2015 gegen das satirische Wochenmagazin und einen koscheren Supermarkt immer noch im Gange. Macron kündigte an, der Gesetzesentwurf werde im Dezember vorgestellt und sei dazu gedacht, Frankreichs säkularen Staat zu schützen, indem er die Religion – einschließlich religiöser Darstellungen – von der Ausbildung und dem öffentlichen Sektor fernhält. „Säkularismus ist der Kitt eines vereinigten Frankreichs“, sagte er.

Unter anderem wird erwartet, dass das Gesetz die Fremdfinanzierung von Moscheen und privaten Religionsschulen weiter einschränkt, ausländische Imame verbietet und die Überwachung von Vereinigungen und Personen verstärkt, die des „Separatismus“ verdächtigt werden – beispielsweise im öffentlichen Sektor und im Sport. Außerdem sollen Maßnahmen verboten werden, die die Geschlechtergleichheit bedrohen, darunter auch „Jungfräulichkeits-Zertifikate“ für muslimische Frauen vor der Hochzeit.
„Muslim und gleichzeitig (französischer) Bürger zu sein, ist nicht unvereinbar“, sagte Innenminister Gerald Darmanin, der Enkel eines muslimischen Einwanderers, kürzlich im französischen Radio. Stattdessen, so meinte er, solle das Gesetz die „Feinde Frankreichs“ bekämpfen – terroristische, aber auch politische Gruppen, die „das französische Modell der freien Meinungsäußerung, unsere Lebensweise und die Art, wie wir unsere Kinder erziehen“ bedrohen. Auch Macron sprach sich dafür aus, die Nation gegen separatistische Kräfte zu schützen: In Hinblick auf Charlie Hebdo verteidigte er „das Recht auf Blasphemie“. „Für jene, die – oft im Namen von Gott und manchmal mithilfe ausländischer Mächte – ihr eigenes Gesetz einführen wollen, wird in Frankreich niemals Platz sein“, fügte er hinzu.
Tiefe Spaltung der französischen Gesellschaft
Mehrere aufeinander folgende Präsidenten haben nun schon versucht, dem Islam einen französischen Stempel zu geben und zu gewährleisten, dass sich die große und vielschichtige muslimische Gemeinde nach den streng säkularen Werten des Landes richtet. Macron ist dabei keine Ausnahme, aber er muss sein Versprechen, einen „Islam de France“ zu erschaffen, erst noch verwirklichen. Das geplante Gesetz könnte ein erster Schritt in diese Richtung sein.