"Eine schändliche Tat": Kritik und Proteste nach Koranverbrennung

Die Koran-Verbrennung vor einer Moschee in Stockholm während des ersten Tags des islamischen Opferfestes Eid al-Adha hat in der muslimischen Welt heftige Proteste ausgelöst.

In der irakischen Hauptstadt Bagdad stürmten Demonstranten die schwedische Botschaft, Marokko zog seinen Botschafter aus Stockholm ab. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, dessen Land Schwedens Nato-Beitrittsgesuch bislang blockiert, wies den schwedischen Behörden die alleinige Verantwortung für die "verachtenswerte" Aktion zu.

Anhänger des einflussreichen irakischen Schiitenführers Moktada Sadr hielten sich nach Angaben eines Reporters der Nachrichtenagentur AFP etwa 15 Minuten auf dem Gelände der schwedischen Botschaft in Bagdad auf und verließen es erst beim Eintreffen der Sicherheitskräfte. Sadr hatte zu der Demonstration aufgerufen, um die Abberufung des Botschafters zu fordern, dessen Heimatland er "Islamfeindlichkeit" vorwarf.

 

"Unsere Verfassung ist der Koran" war auf Flugblättern in Bagdad zu lesen. Auf das Eingangstor der Botschaft waren die Worte gesprüht: "Ja, ja zum Koran". Der 32-jährige Protestteilnehmer Hussein Ali Seidan forderte, dem für die Koran-Verbrennung in Stockholm verantwortlichen Salwan Momika die irakische Staatsbürgerschaft abzuerkennen, da "er den Irak nicht repräsentiert".

Momika, ein nach Schweden geflüchtete Iraker, hatte am Mittwoch (28.6.2023), dem ersten Tag des islamischen Opferfestes Eid al-Adha, in Stockholm vor etwa hundert Schaulustigen und Journalisten vor der Großen Moschee mehrmals auf den Koran eingetreten und dabei die schwedische Fahne geschwenkt. Danach steckte er Schinkenstreifen, die Muslimen als unrein gelten, in das Buch und verbrannte einige Seiten daraus.

"Eine gefährliche Provokation"

Der 37-jährige hatte zuvor die Genehmigung der schwedischen Behörden für seine Protestaktion erhalten. Seinen Antrag hatte er unter anderem mit der Meinungsfreiheit begründet. Mittlerweile leitete die Polizei aber Ermittlungen wegen der Koran-Verbrennung ein.

Das irakische Außenministerium verurteilte die Entscheidung Schwedens, einem "Extremisten" die Erlaubnis zu erteilen, den Koran zu verbrennen. Solche Handlungen entflammten "die Gefühle der Muslime in aller Welt" und stellten "eine gefährliche Provokation" dar, hieß es in einer Erklärung.

Auch die Türkei, Saudi-Arabien, Marokko, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate verurteilten die Aktion scharf. Marokko zog seinen Botschafter wegen "dieser wiederholten Provokationen" ab, die unter dem "selbstgefälligen Blick der schwedischen Regierung begangen wurden".

Die USA kritisieren Koranverbrennung

Das Außenministerium in Saudi-Arabien, wo derzeit rund 1,8 Millionen Gläubige die jährliche muslimische Pilgerfahrt Hadsch unternehmen, erklärte, dass "diese hasserfüllten und erneuten Handlungen" durch nichts zu rechtfertigen seien.

Der Präsidentenberater der Vereinigten Arabischen Emirate, Anwar Gargasch, schrieb im Onlinedienst Twitter, der Westen müsse erkennen, "dass sein Wertesystem (...) der Welt nicht aufgezwungen werden" könne. Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums nannte die Aktion "provokativ, unüberlegt und inakzeptabel". Das US-Außenministerium bezeichnete die Verbrennung religiöser Texte als "respektlos und beleidigend".

Auch der türkische Präsident Erdogan verurteilte Schweden für die Genehmigung der Protestaktion mit scharfen Worten. "Wir werden den arroganten Westmächten beibringen, dass die Beleidigung von Muslimen keine Meinungsfreiheit ist", sagte Erdogan im türkischen Fernsehen. Er kündigte eine entschlossene Reaktion der Türkei an, bis ein "entscheidender Sieg gegen terroristische Organisationen und Islamophobie erreicht worden ist". Ihm zufolge tragen die schwedischen Behörden die alleinige Verantwortung für das Ereignis.

Der Vorfall könnte die Aussichten auf den Nato-Beitritt des skandinavischen Landes weiter trüben, den die Türkei bislang blockiert. In einer Woche treffen sich Vertreter beider Länder zu Gesprächen in Brüssel, um über den Antrag Schwedens auf Aufnahme in die Militärallianz zu sprechen.

Die Türkei sowie Ungarn sind die einzigen Nato-Mitglieder, die dem schwedischen Beitrittsgesuch noch nicht zugestimmt haben. Die Türkei wirft Schweden vor, ein Zufluchtsort für "Terroristen" zu sein. Damit sind in erster Linie Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gemeint.

Bereits im Januar hatten rechtsextreme Demonstranten in Stockholm einen Koran vor der türkischen Botschaft verbrannt und damit wütende Reaktionen in der islamischen Welt ausgelöst. Schon damals führte die Koran-Verbrennung zu einer Verhärtung des türkischen Widerstands gegen Schwedens Nato-Beitritt. (afp)

 

 

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