Das Nildelta und die Bedrohung durch steigende Meeresspiegel
Es sind nur Millimeter, aber mit dramatischen Effekten. An der Nordküste Ägyptens am Mittelmeer steigt
der Meeresspiegel zwischen einem und zwei Millimeter im Jahr. Im Nildelta, wo der mächtige Strom mit seinen vielen Kanälen
Dattelpalmen, Bananen, Kartoffeln, Tomaten und Zwiebeln mit Wasser versorgt, geschieht das Gegenteil. Dort senkt sich die Erde jährlich
um zwei bis drei Millimeter. Was wie eine Rechenaufgabe klingt, ist
für die Menschen vor Ort eine existenzielle Bedrohung. Denn das
Ergebnis ist, dass ein Land mit mehr als 100 Millionen Einwohnern
womöglich 15 Prozent seiner Ackerfläche verliert - sie versalzt.
Etwa 700 Kilometer weiter südöstlich, am Roten Meer, liegt Scharm
el Scheich, wo in diesem Jahr die Weltklimakonferenz ausgerichtet
wird. Der Küstenort, auf Arabisch auch Stadt des Friedens genannt,
liegt am südlichen Zipfel der Sinai-Halbinsel vor einer bergigen
Wüstenlandschaft. In klimatisierten Hallen beraten auch am Montag
Delegierte aus mehr als 190 Ländern unter dem Motto «Gemeinsam für
die Umsetzung», wie weltweit die CO2-Emissionen konkret reduziert
werden können. Ziel ist es, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad
Celsius zu begrenzen, aktuell sind es schon etwa 1,2 Grad Celsius.
Der Anstieg der Meeresspiegel ist bereits jetzt unumkehrbar. Laut
dem Weltklimarat, dem führenden Wissenschaftsgremium in diesen
Fragen, wird es immer mehr dramatische Überschwemmungen geben.
Deshalb muss in Küstenregionen nun getan werden, was im Jargon der
Klimakonferenzen als «Anpassung», bezeichnet wird: Die betroffenen
Länder müssen Vorbereitungen treffen für höhere Meeresspiegel.
Deutschland fördert einige solcher Projekte in Ägypten: Im Norden
widmet sich der frühere Mitarbeiter im ägyptischen
Bewässerungsministerium, Mohamed Ahmed, dem Küstenschutz. Als Manager
eines international geförderten Projekts erschafft er mithilfe von
Reetzäunen natürliche Dünen: Die Zäune halten heranwehenden Sand auf,
was zur Dünenbildung führt. «69 Kilometer Sanddünendeiche sind schon
da», sagt er. Sie sollen die Überflutung der fruchtbaren Felder des
Nildeltas verhindern, die einige Hundert Meter dahinter liegen.
Ein weiteres Projekt liegt im Örtchen Al-Baida im Nildelta: Mit
elektrischen Wasserpumpen konnte die Bewässerung von Feldern durch
kleine Kanäle so verbessert werden, dass die dortigen Bauern und ihre
Familien ihre Einnahmen deutlich steigern konnten: Das Wasser wird
gleichmäßiger verteilt, was Wasserverschwendung ebenso wie
Wasserknappheit reduziert.
Ist es allerdings zu spät für die sogenannten Klimaanpassungen,
entstehen Schäden und Verluste, die unter dem Titel «Loss and Damage»
auf der Klimakonferenz verhandelt werden. Es geht um Gerechtigkeit
und darum, dass Industrie- und Ölländer, die den Klimawandel
verursacht haben, arme Staaten etwa im Fall von klimabedingten
Unwetterkatastrophen entschädigen. In Scharm el Scheich gibt es dazu
Plakate, die besagen: «Das Schicksal der Verletzlichsten wird das
Schicksal der Welt sein.» In einem ersten Schritt wurde nun ein
sogenannter Schutzschirm gegen Klimarisiken gestartet, eine Art
Versicherungsmodell für arme Gemeinden, finanziell ausgestattet von
reichen Ländern.
Ein drittes von Deutschland gefördertes ägyptisches Projekt zeigt,
wie im Fall einer Katastrophe schnell reagiert werden kann: Ägypten
unterstützt Bedürftige mit «Takaful + Karama»-Karten, mit denen die
Menschen vor allem in Postämtern Geld abheben können. Takaful heißt
Solidarität, Karama bedeutet Würde. Gleichzeitig erfasst der Staat in
Datenbanken damit, wer besonders bedürftig und verwundbar ist und
kann im Notfall schnell reagieren.
Yusria lebt in einem Armenviertel der Küstenstadt Alexandria und
engagiert sich in dem Projekt für ihre Nachbarschaft. «Das Wort
Karama bedeutet für mich: allgemeine Stabilität im Leben», sagt sie.
Stabilität wünschen sich auch die Bauern im Nildelta, unter deren
Feldern sich allmählich Meersalz ansammelt.
Allerdings dürfte sich die Lage in Ägypten, das häufig als
«Geschenk des Nils» bezeichnet wird, weiter zuspitzen. Aus den
derzeit 105 Millionen Menschen im Land werden 2050 voraussichtlich
160 Millionen geworden sein. Auch sie sind dann abhängig vom
Nilwasser und von den fruchtbaren Feldern des Flussdeltas - beides
wird dann aber noch knapper sein. (epd).