Erdbeben in Marokko: Französische und deutsche Erdbeben-Helfer nicht willkommen

Paris - Deutsche Erdbeben-Helfer waren abflugbereit, doch da ein offizielles Hilfegesuch aus Marokko ausblieb, fuhren sie vom Flughafen Köln/Bonn unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Ähnlich erging es der französischen Hilfsorganisation "Secouristes sans frontièrs", die von einer "Blockade" durch die marokkanischen Behörden spricht - obwohl das nordafrikanische Land vom schwersten Erdbeben in seiner Geschichte heimgesucht wurde.



Die Entscheidung der Regierung in Rabat, zunächst nur Helfer aus Spanien, Großbritannien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten ins Land zu lassen, hat viel Unverständnis ausgelöst. Warum war die schnellste Hilfe aus gerade diesen vier Ländern willkommen und nicht etwa aus Frankreich, wo zahlreiche marokkanische Einwanderer leben? Frankreich und Deutschland wiesen Mutmaßungen über diplomatische Spannungen zurück. "Darüber lohnt es sich von unserer Seite aus nicht zu spekulieren", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. "Politische Gründe kann man hier ausschließen", betonte das Auswärtige Amt. Der Stand der diplomatischen Beziehungen zu Marokko sei "gut".



"Das Land kann nur allein bestimmen, welche Hilfe und in welchem Zeitraum es sie braucht", erklärte ihrerseits die französische Außenministerin Catherine Colonna. Frankreich vertraue Marokko, "die Hilfe so zu organisieren, wie es am besten ist". Aber ein Gemeinsames haben die vier internationalen Ersthelfer: Marokko umgibt sich offensichtlich mit "befreundeten Monarchien", wie der französische Historiker Pierre Vermeren anmerkt, der an der Universität Sorbonne lehrt.



Darunter ist Spanien, das als einziges EU-Land im vergangenen Jahr im Konflikt um die Westsahara auf Marokkos Linie eingeschwenkt war. Frankreich und Deutschland hingegen erkennen den marokkanischen Anspruch auf Marokko weiterhin nicht an - und haben den Zorn der Regierung in Rabat schon zu spüren bekommen. So zog Marokko im Mai 2021 seine Botschafterin aus Deutschland ab. Im vergangenen Februar entließ der marokkanische König Mohammed VI. auch seinen Botschafter in Paris und besetzte den Posten seitdem nicht neu.



Zwischen Marokko und Frankreich sind die Beziehungen seit Jahren besonders angespannt. Der Rauswurf des Botschafters fiel mit einer Mahnung des EU-Parlaments an die marokkanischen Behörden zusammen, die Pressefreiheit besser zu achten. Marokkanische Politiker vermuteten dahinter französischen Einfluss.



Hinzu kommt, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zunehmend versucht, sich dem rivalisierenden Nachbarland Algerien anzunähern. Im Streit um die Rücknahme von Einwanderern ohne Papiere hatte Frankreich außerdem Ende 2021 die Zahl der Visa für Marokkaner halbiert, diese Einschränkung wurde inzwischen aber wieder aufgehoben. Es sei ein "klares politisches Zeichen" Marokkos, das Hilfsangebot aus Frankreich zunächst zu ignorieren, sagt Vermeren. "Die Diplomatie von Mohammed VI. ist bekannt: Wenn er verärgert ist, dann zeigt er das durch klare Botschaften", fügt er hinzu.



Zum Zeitpunkt des Erdbebens befand sich der König nach Informationen der Zeitung "Le Monde" in Frankreich. Er besitzt in Paris eine Luxusvilla am Fuß des Eiffelturms. Bis Montagnachmittag äußerte sich der Monarch nicht zum Erdbeben in seiner Heimat, sondern ließ lediglich Bilder einer Sitzung mit seinen Beratern veröffentlichen.



Die deutsche und französische Regierung verzichteten bislang auf Kritik an der marokkanischen Organisation der Hilfe. Vielmehr bekräftigten sie, ihre Hilfsangebote hätten weiter Bestand. (AFP)