Man muss weiter hoffen

Angesichts bleibender Hürden auf dem Weg zu einem dauerhaften Atomabkommen haben sich der Iran und die fünf UN-Vetomächte plus Deutschland auf die Fortsetzung ihrer Gespräche verständigt. Die Hoffnung auf eine Einigung bleibt. Doch die Risiken werden nicht unbedingt kleiner. Von Ulrich von Schwerin

Von Ulrich von Schwerin

Die Verhandlungen gehen also doch in die Verlängerung. Noch bis wenige Tage vor Ablauf der Frist vom 20. Juli hatten beide Seiten öffentlich bestritten, dass über eine Verlängerung der Gespräche nachgedacht oder gar verhandelt werde. Dennoch kommt es nicht als Überraschung, dass der Iran und die 5+1-Gruppe die Fortsetzung der Gespräche bis zum 24. November 2014 beschlossen haben. Beobachter hatten von Anbeginn Zweifel geäußert, dass bereits im ersten Anlauf eine für beide Seiten akzeptable Lösung für den jahrelangen Streit gefunden werden könne.

Also, kein Grund zur Beunruhigung? Nicht ganz. Einerseits ist zweifellos positiv zu vermerken, dass beide Seiten ernsthaft bemüht sind, eine Einigung zu erreichen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, die für die 5+1-Gruppe die Gespräche leitete, und der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif betonten nach jeder Runde, wie „positiv“ und „konstruktiv“ die Gespräche seien. Vor der Entscheidung zur Verlängerung der Frist waren sich Sarif und sein US-Kollege John Kerry zudem einig, dass „bedeutende Fortschritte“ erzielt worden seien.

Forderung von Einschränkungen

Iranische Podiumsdiskussion über die „Rote Line“ in den Verhandlungen mit Westen; Foto: IRNA
Podiumsdiskussion über die „Rote Line“ in den Verhandlungen mit Westen: Im Iran werden die Hardliner die Einigung misstrauisch unter die Lupe nehmen. Sie lehnen Zugeständnisse an den Westen ab und versuchen die Verhandlungen nach Kräften zu torpedieren.

Andererseits bleiben aber die Differenzen weiter erheblich, und eine Lösung dürfte mit der Zeit nicht einfacher werden. Dabei sind die zu klärenden Fragen zweifellos komplex, aber nicht unüberschaubar. Hauptstreitpunkte sind, soweit ist klar, der Schwerwasserreaktor von Arak, der Zeitplan für die Aufhebung der Sanktionen und die Urananreicherung.

Während sich bei Arak abzeichnet, dass die Iraner bereit sind, den halbfertigen Reaktor so zu modifizieren, dass er weniger Plutonium produziert, bestehen bei den anderen Fragen weiter erhebliche Differenzen.

Bei der Urananreicherung will der Westen den Iran verpflichten, die Zahl seiner derzeit 19.000 Zentrifugen in den Anlagen von Natans und Fordo – von denen rund die Hälfte in Betrieb ist – auf wenige tausend zu reduzieren. Damit soll seine Fähigkeit zur Anreicherung begrenzt, beziehungsweise die Zeit verlängert werden, um das für die Herstellung von Atomwaffen benötigte hochangereicherte Uran herzustellen. Außerdem will der Westen die Forschung an effizienteren Zentrifugen begrenzen. Der Iran lehnt derartige Einschränkungen ab.

Skepsis bei iranischen Hardlinern

In einem Interview mit der „New York Times“ vom 15. Juli gab Sarif eine seltenen Einblick in die iranische Verhandlungsposition. Demnach schließt Teheran den Rückbau von Zentrifugen ab, bietet aber an, die Urananreicherung auf dem derzeitigen Niveau für drei bis sieben Jahre einzufrieren. Das zur Energiegewinnung und Forschungszwecken produzierte niedrig angereicherte Uran würde demnach rasch in Brennstäbe umgewandelt – das Ganze unter scharfen internationalen Kontrollen. Dies wäre im Grunde eine Verlängerung der Interimsvereinbarung.

Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) und iranische Ingenieure in einem Kernkraftwerk im iranischen Natans am 20. Januar 2014; Foto: AFP/Getty Images
Bei der Urananreicherung will der Westen den Iran verpflichten, die Zahl seiner derzeit 19.000 Zentrifugen in den Anlagen von Natans und Fordo – von denen rund die Hälfte in Betrieb ist – auf wenige tausend zu reduzieren.

Diese bleibt auch in den kommenden vier Monaten die Grundlage der Verhandlungen. Eigentlich hätte das am 24. November 2013 in Genf unterzeichnete Abkommen am 20. Juli auslaufen sollen, doch wie kurz vor Ablauf der Frist vereinbart wurde, soll es nun bis zum ersten Jahrestag der Unterzeichnung gehen. Bis dahin gilt weiter ein Baustopp für Arak. Zudem sagt der Iran zu, kein Uran auf mehr als fünf Prozent anzureichern und höher angereichertes Material in Brennstäbe umzuwandeln. Im Gegenzug erhält der Iran 2,8 Milliarden Dollar seiner eingefrorenen Öleinnahmen.

Im Iran werden die Hardliner die Einigung misstrauisch unter die Lupe nehmen. Sie lehnen Zugeständnisse an den Westen ab und versuchen die Verhandlungen nach Kräften zu torpedieren. Dass sie dabei bisher nur wenig Erfolg hatten, liegt vor allem am Rückhalt von Präsident Hassan Ruhani und seinem Außenminister bei Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei. Dieser äußert sich zwar skeptisch zu den Verhandlungen, hält zugleich aber die Hardliner im Zaum. Wird die Kritik zu heftig, springen regelmäßig führende Konservative Ruhani zur Seite.

Doch auch wenn Khamenei im Prinzip die Verhandlungen unterstützt, geben seine öffentlichen Äußerungen immer wieder Rätsel auf. So sagte der Revolutionsführer in einer Rede am 8. Juli, sein Land werde laut den Experten zwar „nicht in den kommenden zwei oder fünf Jahren“, aber langfristig zur Deckung seines Bedarfs rund 190.000 Zentrifugen brauchen. Im Westen schrillten da natürlich die Alarmglocken. Inmitten der heißen Phase der Verhandlungen über eine Begrenzung der Urananreicherung war die Äußerung offenkundig nicht hilfreich.

Widerstand in Sicht

Ebenfalls nicht hilfreich ist ein Brief, den die beiden führenden Mitglieder des Außenausschusses im US-Repräsentantenhaus, Ed Royce und Eliot Engel, am 10. Juli an Präsident Barack Obama schickten. In dem von 342 Abgeordneten signierten Schreiben betonten sie, dass es rechtlich gesehen keine spezifischen „Atom-Sanktionen“ gebe, und sie der Aufhebung der gegen den Iran verhängten Handels- und Finanzsanktionen nur zustimmen würden, wenn Teheran auch bei Menschenrechten, Terrorismus und dem Raketenprogramm Zugeständnisse macht.

Sollten die Abgeordneten dabei bleiben, wird es der US-Regierung schwerfallen, einen Großteil der verhängten Strafmaßnahmen aufzuheben. Dies aber ist die Bedingung für die Zugeständnisse Teherans. Der Brief dürfte darüber hinaus alle jene im Iran bestärken, die den USA vorwerfen, die Atomfrage nur als Druckmittel zu benutzen, um den Iran in die Knie zu zwingen. Seht her, können sie nun sagen, wenn wir in dieser Frage nachgeben, werden die USA andere Fragen wie das Raketenprogramm hochbringen, um uns zu drangsalieren.

Es droht also sowohl in Teheran als auch in Washington weiterer Widerstand. Schon deshalb sollten sich die Verhandlungspartner nicht zu lange Zeit lassen. Bei aller Komplexität der Materie sind die Optionen für beide Seiten seit langem klar. Offen dürfte letztlich nur sein, wie weit die jeweilige Gegenseite nachzugeben bereit ist. Ein Scheitern der Gespräche ist in niemandes Interesse. Denn eine neue Initiative wird es dann so bald nicht mehr geben. Stattdessen dürften sich die Spannungen deutlich verschärfen. Ein Deal müsste schon sehr schlecht sein, damit er besser als gar kein Deal ist.

Ulrich von Schwerin

© Qantara.de 2014

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de