Zurück zu den Wurzeln 

Mekaal Hasan may not be a household name in Europe or North America, but he is a star in Pakistan. When COVID-19 struck, he and his band were forced to change their production approach. For "Rivayat", Hasan tracked down traditional singers and musicians performing beyond metropolitan areas like Lahore.
Mekaal Hasan may not be a household name in Europe or North America, but he is a star in Pakistan. When COVID-19 struck, he and his band were forced to change their production approach. For "Rivayat", Hasan tracked down traditional singers and musicians performing beyond metropolitan areas like Lahore.

Mekaal Hasan dürfte in Europa und Nordamerika nur wenigen ein Begriff sein. In Pakistan ist er ein Star. Für sein Album "Rivayat“ spürte Hasan traditionelle Sänger und Musiker aus der Umgebung von Lahore auf. Richard Marcus hat es für Qantara.de angehört.

Von Richard Marcus

Während der Corona-Pandemie hatten Musiker, die ihr Einkommen durch öffentliche Auftritte und private Veranstaltungen wie Hochzeiten und andere Feierlichkeiten erzielen, einen schweren Stand. In Pakistan ist das Leben für Musiker selbst in guten Zeiten hart. Geld ist überall knapp und im Norden des Landes sind Übergriffe der Taliban auf Musiker keine Seltenheit. Mit der Pandemie wurde die Lage für sie katastrophal. 

Das brachte Mekaal Hasan auf die Idee, Musiker aus der Umgebung von Lahore ausfindig zu machen und sie in ein Aufnahmestudio einzuladen. Rivayat war geboren. So ist Rivayat mehr als ein Album oder eine Sammlung von Liedern. Rivayat wurde zu einem Forum für Musiker, deren Musik die Grundlage für einen großen Teil der pakistanischen Musikindustrie bildet. 

Sie sind es, die die traditionellen Melodien und Texte weitergeben – von der Filmmusik bis zur Volksmusik. Finanziell profitieren sie davon kaum oder gar nicht. Rivayat setzt diesen Künstlern, von denen einige die musikalischen Wurzeln ihrer Familien bis in die Zeit der Mogulkaiser zurückverfolgen können, ein Denkmal. 

Traditionelle Volksmusik trifft auf moderne Instrumentierung 

Rivayat bedeutet in etwa "traditionell". Doch das Album will die Vergangenheit durchaus nicht konservieren. Vielmehr lässt Hasan schon seit langem volkstümliche Elemente in seine Rockarrangements einfließen. Mit dieser Veröffentlichung knüpft er an diese Praxis an. Er überließ es den Musikern, das Material nach ihren eigenen Vorstellungen einzuspielen. Die so entstandenen Bänder schickte er an ihm bekannte Musiker in aller Welt mit der Bitte, sie gegebenenfalls mit modernen Instrumenten zu ergänzen.

Cover von Mekaal Hasans Album "Rivayat" (erschienen bei bandcamp.com)
"Rivayat“, eine gelungene Verbindung von Moderne und Tradition: Schon lange lässt Mekaal Hasan volkstümliche Elemente in seine Rockarrangements einfließen. Mit dieser Veröffentlichung knüpft er an diese Praxis an. Er überließ es den volkstümlichen Musikern, Material ganz nach ihren eigenen Vorstellungen einzuspielen. Die so entstandenen Bänder schickte er an ihm bekannte Musiker in aller Welt mit der Bitte, sie gegebenenfalls mit modernen Instrumenten zu ergänzen. 



Ein Beispiel dafür ist der Song "Chamba Kitni Dur“, ein traditionelles Volkslied aus Himachal, Nordindien an der Grenze zu Pakistan, gesungen vom Ensemble The Manwa Sisters (Fozia Yasmin, Saba Noreen und Zille Huma). 

Die Aufnahme entstand live im Studio mit Kashif Ali an der Tabla, Ghulam Abbas an der Dholak, Qamar Abbas an der Cajon und Mohammad Ahsan und Waqas Ali an der Flöte. Gleichzeitig bat Hasan die französische Gitarristin Gwen Lafitte und den britischen Bassisten Shez Raja, aus der Ferne zu diesem und anderen Titeln beizutragen. 

Das Ergebnis ist eine gelungene Verbindung von Tradition und Moderne: Das eine ergänzt das andere und bereichert den Klang, ohne die Textur und den Stil des Originals zu stören. Im Mittelpunkt der Aufnahme stehen die Stimmen der drei Frauen von den Manwa Sisters, die in komplexen Harmonien miteinander verwoben sind. 

Im Rahmen des Projekts wurden alle Aufführungen auf Video festgehalten. Die Aufnahmen sind auf dem YouTube-Kanal der Mekaal Hasan Band zu sehen. 

Die jungen Frauen und die Band sitzen gemeinsam in Jeans und Hemd auf dem Boden und spielen traditionelle Lieder ein. Was für ein Kontrast zu der irrigen Vorstellung, dass volkstümliche Musik nur von alten Menschen aus kleinen Bergdörfern in traditionellen Gewändern gespielt wird. Diese Musik ist quicklebendig und auch bei der jüngeren Generation sehr beliebt. 

Generationenübergreifende Attraktivität

Vielleicht noch überraschender ist die große Vielfalt, die in dieser Sammlung von Aufnahmen zu hören ist. Auch das verbreitete Vorurteil, dass Musik aus Südostasien und insbesondere aus Pakistan gleich klingt, wird schnell widerlegt. Schnell stellt man fest, dass es zwar durchaus Ähnlichkeiten zwischen dieser und der indischen Musik gibt, aber es gibt auch deutliche Unterschiede. 

Zwar teilen beide Länder einige Begriffe und musikalische Strukturen – so verwenden beide den Begriff "Raga" und folgen den gleichen melodischen Strukturen – aber eine indische Sitar ist hier nicht zu hören. Das Lied "Thumri Pahari Mishermail“ ist zwar kein Raga, aber dennoch ein Beispiel für die gegenseitige Bereicherung der beiden Musikkulturen. Ein "Thumri" ist in der indischen Musik ein bestimmter Vokalstil. In diesem Fall ist die Gesangsmelodie jedoch ein Instrumentalstück, das von dem Klarinettisten Jaffer Hussain und dem Tablaspieler Kahului Ali improvisiert wird. 

 

 

Hussain ist der einzige klassisch ausgebildete Klarinettist Pakistans. Insofern ist seine Performance ein einzigartiger Klang für diesen Teil der Welt. Abgesehen davon ist es ein wunderschönes Lied, das trotz seines andersartigen Klangs in dieser Sammlung durchaus seinen Platz hat. 

Sufi-Trance mit besonderer Note 

Viele Lieder dieser Aufnahme sind sogenannte Qawwali. Das arabische Wort "qawl“ bedeutet "Wort des Propheten“. Ein Qawwali ist die musikalische Umsetzung dieser Worte. Wer sie singt, ist ein Qawwal. Diese Lieder gehen wie ein Großteil der spirituellen Musik Pakistans auf die Sufis zurück. Die Stücke sollen den Zuhörer in einen tranceähnlichen Zustand versetzen, in dem er eine höhere spirituelle Ebene erreicht. 

Aber auch säkulare Zuhörer fühlen sich unwillkürlich zu diesen Liedern hingezogen. Allerdings sollte man nicht erwarten, dass die Musik einen automatisch in einen tranceähnlichen Zustand versetzt. Wer das Stück "Tobah“ von Shahzad Ali Khan hört, wird vielmehr von der Intensität und dem Tempo überrascht sein. Hier werden Leidenschaft und Glaube in den Himmel geschleudert. Tobah leitet sich übrigens vom arabischen "tawba" ab – dem islamischen Begriff für Reue über begangene Sünden. 

In diesem Kontext wird der treibende Beat verständlich, der dem Lied seine Eindringlichkeit verleiht. Khan appelliert wiederholt an seine Zuhörer, Buße zu tun, so wie ein Geistlicher an seine Gemeinde appelliert. Bass und Gitarre ergänzen die Textur des Liedes und machen es zu einem der wohl fesselndsten Musikstücke überhaupt. 

Aber im Grunde ist jedes Stück der Sammlung auf seine Weise genauso fesselnd. Ganz gleich, ob die Sängerinnen und Sänger aus der Sufi-Tradition schöpfen oder Anleihen beim säkularen Playback-Gesang (wie man ihn aus Bollywood-Musicals kennt) machen: Jeder Song ist ein Hörgenuss. Mekaal Hassan beweist mit dieser Veröffentlichung, dass die traditionelle pakistanische Volksmusik lebendig und vital ist. 

Richard Marcus

© Qantara.de 2023

Übersetzt aus dem Englischen von Gaby Lammers