"Barbie" darf nicht nach Kuwait

Das Verbot des "Barbie“-Films in Kuwait steht in Zusammenhang mit einem zunehmenden Vorgehen des Staates gegen Feminismus und Meinungsfreiheit.
Das Verbot des "Barbie“-Films in Kuwait steht in Zusammenhang mit einem zunehmenden Vorgehen des Staates gegen Feminismus und Meinungsfreiheit.

Das Verbot des "Barbie“-Films in Kuwait steht in Zusammenhang mit einem zunehmenden Vorgehen des Staates gegen Feminismus und Meinungsfreiheit. Von Hind Al Ansari

Von Hind Al Ansari

Im August erregte die Entscheidung der kuwaitischen Regierung, die Filmkomödie "Barbie“ zu verbieten, international große Aufmerksamkeit. Im Allgemeinen gilt Kuwait mit seinem gewählten Parlament, seinem Verfassungsgericht und einer lebendigen Zivilgesellschaft als eines der fortschrittlicheren Länder am Golf. Doch in diesem Fall nahm Kuwait die konservativste Haltung in der Region ein, während die Zuschauer in Saudi-Arabien in Scharen in den US-amerikanischen Film strömten.

Einige westliche Medien, darunter die Los Angeles Times und USA Today, führten die Zensur von "Barbie“ auf die Präsenz von LGBTQ-Charakteren und -Themen in dem Film zurück. Auch im Libanon wurde "Barbie“ vorübergehend wegen "Förderung der Homosexualität“ verboten, doch in Kuwait könnte der springende Punkt für das Verbot etwas anderes gewesen sein.

Barbie, die Hauptfigur des Films, verkörpert eine Version des modernen westlichen Feminismus, gegen den auch Konservative in den USA in sozialen Medien und der tagesaktuellen Berichterstattung Sturm laufen. Mit viel Humor fordert der Film Frauen zu einem selbstbestimmten, unabhängigen Leben und zur Emanzipation vom Patriarchat auf, das durch negative Stereotype über Männlichkeit verkörpert wird.

Derartige feministische Ideen wurden in den letzten Jahren von konservativen Kuwaitis, darunter auch Mitgliedern der Nationalversammlung, lautstark bekämpft. Lokale feministische Initiativen gerieten in ihr Visier, weil sie angeblich im Widerspruch zu traditionellen und religiösen Werten stünden. Es lohnt sich daher zu untersuchen, ob nicht eher diese antifeministische Strömung in der kuwaitischen Politik der zentrale Impuls für das Filmverbot war.

Aktivistinnen in Kuwait demonstrieren für ihre Rechte in Kuwait City, 7. Februar 2022 (Foto: Yasser Al-Zayyat/AFP)
Islamistische Politiker gegen Frauenrechte: Im Jahr 2022 wurde ein Frauen-Yoga-Kurs von islamistischen Politikern als "unmoralisch“ verdammt und musste verschoben werden, weil die Behörden meinten, der Yoga-Kurs brauche eine Genehmigung. Daraufhin gab es einen Proteststurm in den sozialen Medien und eine Beschwerde im Parlament. Nach einer Änderung von Artikel 16 des Nationalen Gesetzes zur Wahlkomission (General Election Commission Law) müssen Frauen nun die Grundsätze der Scharia einhalten, wenn sie gewählt werden oder für ein Amt kandidieren wollen.

Die Spielräume werden enger

Bedeutsam ist hier, dass das Verbot in eine Zeit fällt, in der islamistische Politiker auf verschiedene Weise versucht haben, die Rechte von Frauen zu beschneiden. Im Mai 2022 brachte beispielsweise der islamistische Abgeordnete Fayez Al-Jamhour die Forschungsgruppe für Frauen- und Geschlechterstudien an der Universität Kuwait und deren Ziele in Misskredit. Die Gründerin der Forschungsgruppe, die feministische Wissenschaftlerin Reem Al-Rudainy, und andere Fakultätsmitglieder wurden daraufhin von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in den sozialen Netzwerken beschimpft.

Neben dem Verbot des "Barbie“-Films freuten sich einige Mitglieder der Nationalversammlung im August auch über eine Änderung von Artikel 16 des Nationalen Gesetzes zur Wahlkomission (General Election Commission Law), wonach Frauen nun die Grundsätze der Scharia einhalten müssen, wenn sie gewählt werden oder für ein Amt kandidieren wollen. Mehrere kuwaitische Nichtregierungsorganisationen haben gegen die Gesetzesänderung protestiert, weil sie gegen verfassungsmäßige Rechte verstoße.

Das Filmverbot muss also im Kontext des einflussreicher werdenden Islamismus in der kuwaitischen Politik gesehen werden. Saad bin Tefla, ein ehemaliger kuwaitischer Minister für Information und Kultur, äußerte die Vermutung, dass erst die Ablehnung des Films durch die "Kandaharis“, wie er sie spöttisch nannte – eine Bezeichnung für islamistische Abgeordneten wegen ihrer fundamentalistischen Ansichten –, zum Verbot geführt habe.

Das Verbot spiegelt die offizielle Position der Regierung wider, der die Kuwaitis selbst erwartungsgemäß gespalten gegenüberstehen. Wer das Verbot befürwortet, folgt der Begründung von Lafy Al-Subei'e, Unterstaatssekretär im Ministerium für Presse und Verlagspublikationen, der angab, dass der Film "Ideen und Überzeugungen verbreitet, die der kuwaitischen Gesellschaft und der öffentlichen Ordnung fremd sind.“

Kuwaits Premierminister Sheikh Sabah Khaled Al-Hamad Al-Sabah spricht seinen Amtseid bei einer Sitzung des Parlaments in Kuwait City, Kuwait, 30. März 2021 (Foto: Xinhua/picture-alliance)
Tiefsitzende konservative Wertvorstellungen: "Wenn der Staat die Rolle eines Hüters sozialer Normen und religiöser Überzeugungen einnimmt, dann stellt er sich auf die Seite eines Teils der Bevölkerung, während er andere Gruppen ausgrenzt. So werden neue Wege zu Konflikten und sozialer Polarisierung geebnet. Deshalb sollte sich die Regierung vielmehr darauf konzentrieren, Räume für einen offenen Dialog zu schaffen, in denen Kuwaitis ihre Ansichten über die Medien und die Inhalte, die sie konsumieren, austauschen können“, schreibt die politische Analystin Hind Al Ansari.

Westliche und arabische Konservative

Dahem Al-Qahtani, ein kuwaitischer Journalist und Fernsehmoderator, postete in den sozialen Medien ein Video, in dem der christlich-fundamentalistische, US-amerikanische Medienkritiker Ted Baehr "Barbie“ verreißt und bemängelt, der Film propagiere "hässliche feministische Ideen“. Es ist zwar ungewöhnlich, dass sich kuwaitische Politiker auf ähnliche Kritik westlicher Konservativer berufen, doch die Verbreitung eines Videos, in dem ein US-Amerikaner dem Film "Hardcore-Propaganda“ vorwirft, dient immerhin der Legitimierung des Verbots.

Andere kuwaitische Kritiker verurteilten das Verbot mit dem Argument, es verstoße gegen die Entscheidungsfreiheit. In einem BBC-Interview hebt der kuwaitische Regisseur Najaf Jamal die Wirkungslosigkeit der Maßnahme hervor. Wörtlich sagt er: "Die Leinwand bleibt für alle zugänglich.“

Er meint damit, die Zuschauer würden auch andere Wege finden, um Filme zu sehen, die ihre Regierung verboten hat. Nur wenige Tage nach dem Verbot kündigte der kuwaitische Theaterregisseur und Schauspieler Mohammed Al-Hamli in einem aufwendig produzierten Werbevideo die Premiere eines Theaterstücks zum Thema "Barbie“ an.

Letztlich steht hinter der Kontroverse um den "Barbie“-Film in Kuwait eine größere Fragestellung: Wenn der Staat die Rolle eines Hüters sozialer Normen und religiöser Überzeugungen einnimmt, dann stellt er sich auf die Seite eines Teils der Bevölkerung, während er andere Gruppen ausgrenzt. So wrden neue Wege zu Konflikten und sozialer Polarisierung geebnet. Deshalb sollte sich die Regierung vielmehr darauf konzentrieren, Räume für einen offenen Dialog zu schaffen, in denen Kuwaitis ihre Ansichten über die Medien und die Inhalte, die sie konsumieren, austauschen können.

Hind Al Ansari

© sada | Carnegie Endowment for International Peace 2023

Übersetzt aus dem Englischen von Karola Klatt

Hind Al Ansari ist Wissenschaftlerin und politische Analystin. Schwerpunktmäßig beschäftigt sie sich mit sozialen und bildungspolitischen Entwicklungen in den Staaten des Golf-Kooperationsrates sowie allgemein der muslimischen Welt.