Ein weiter Weg bis zur Klimaresilienz

Marokko leidet von allen nordafrikanischen Ländern am stärksten unter dem Klimawandel. Zwar hat das Land Maßnahmen ergriffen, doch die Herausforderungen bleiben gewaltig. Von Soukina Nait El-Rayes 

Von Soukina Nait El-Rayes

Im Frühjahr erlebte Marokko eine beispiellose Hitzewelle. Normalerweise wird es im Frühjahr langsam wärmer. Von der letzten Aprilwoche bis in den Mai hinein lagen diesmal die Temperaturen in den zentralen und südlichen Provinzen des Königreichs zwischen 37 und 45 Grad Celsius. Nach Angaben der Generaldirektion für Meteorologie übertrafen die Werte den jahreszeitlichen Durchschnitt in einigen marokkanischen Städten um 5 bis 13 Grad Celsius.  

Konkrete Ursache für die ungewöhnlich hohen Temperaturen waren südöstliche Luftströmungen, die heiße und trockene Luft aus der Sahara nach Marokko brachten. Die Hitzewelle folgte auf einen ungewöhnlich trockenen Winter. Seit nunmehr fünf Jahren geht die jährliche Niederschlagsmenge deutlich zurück. Nach den aktuellen amtlichen Angaben der Regierung sind die marokkanischen Stauseen deshalb derzeit nur zu einem Drittel gefüllt. 

Zusammenhang mit dem Klimawandel 

Nach Ansicht des marokkanischen Umwelt- und Entwicklungsexperten Mostafa Benramel sind vor allem die ausbleibenden Niederschläge im Winter und die hohen Temperaturen im Frühjahr auf den Klimawandel zurückzuführen.

Demnach reichten die sporadischen Niederschläge in den Wintermonaten nicht aus, um den Bedarf des Landes zu decken. Dies verschärfe die ohnehin gravierende Wasserknappheit, zumal ein Großteil der Niederschläge in Marokko in die Flüsse und von dort ins Meer abfließt.

Blick auf einen Teil der Solaranlage von Ouarzazate; Foto: picture-alliance
Mit Erneuerbaren gegen den Klimawandel: Marokko hat bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern und den Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen. Das Kraftwerk Noor in Nähe der Stadt Ouarzazate im Süden des Landes ist eines der größten solarthermischen Kraftwerke der Welt.



Der Temperaturanstieg wiederum stehe im Zusammenhang mit der Zunahme der vom Menschen verursachten Treibhausgase in der Atmosphäre, dem Verschwinden großer Waldflächen als Kohlendioxidspeicher und der starken Zersiedelung. 



Die Trockenheit und der Verlust natürlicher Ressourcen als direkte Folge extremer Wetterphänomene in Marokko betreffen auch die Landwirtschaft – konkret die Viehzucht und die Bewässerung von Ackerflächen – ganz zu schweigen vom Rückgang der Biodiversität. Der Klimawandel in Marokko hat  vielfältige und intensive Auswirkungen und erfordert sofortige und konkrete Maßnahmen.  

Auf dem Weg zur Klimaresilienz 

Marokko hat bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern und den Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen. Das Kraftwerk Noor in Nähe der Stadt Ouarzazate ist eines der größten solarthermischen Kraftwerke der Welt. Darüber hinaus fördert der marokkanische Staat auch die Erzeugung von sauberer Energie aus Wind- und Wasserkraft.



Mit diesen Projekten will Marokko seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 42 Prozent senken. Gleichzeitig sollen die Bürger motiviert werden, saubere Verkehrsmittel zu nutzen. Darüber hinaus arbeitet das Land daran, seine Frühwarnsysteme zu verbessern und die Infrastruktur für Informationen über Extremwettergefahren wie Überschwemmungen und Hitzewellen auszubauen. 



Mit diesen Maßnahmen will Marokko widerstandsfähiger gegen Klimakrisen werden. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Das Königreich muss zudem eine Klimaschutzpolitik verfolgen, die die ökologischen Besonderheiten der einzelnen Regionen des Landes berücksichtigt. Auch die Kommunen müssen Klimaresilienz auf ihre Agenda setzen.

 

Im Nordwesten Afrikas ist es vergangene Woche unerträglich heiß gewesen. Was würdet ihr bei solchen Temperaturen machen?

Infos zu den Rekorden gibt es hier: ⬇️⬇️#Hitze #Wetter #Marokko https://t.co/eYwwprsAEw

— WetterOnline Austria (@WetterOnline_AT) June 30, 2023

 

 

Das Land muss noch mehr tun

Angesichts der zunehmenden Wasserknappheit muss Marokko seine Wasserressourcen besser bewirtschaften und moderne Technologien zur Wassereinsparung entwickeln. Weitere Themen sind die Förderung des ökologischen Landbaus und die Diversifizierung der Landwirtschaft im Sinne einer höheren Produktivität und Nachhaltigkeit. Auch die Stadtplanung, insbesondere in den Küstengebieten, muss an den Klimawandel angepasst werden. 

Um Marokko klimaresilienter zu machen, sollte die Klimapolitik den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehört es, das Bewusstsein für Umweltthemen in den verschiedenen Teilen der Gesellschaft zu stärken, insbesondere durch Integration von Nachhaltigkeitsfragen in Lehrpläne und Bildungsprogramme. Die Regierung sollte Innovationen in saubere Technologien fördern und relevante zivilgesellschaftliche Verbände und Nichtregierungsorganisationen unterstützen. 

Die Umsetzung dieser Vorschläge liegt jedoch noch in weiter Ferne: Neben begrenzten finanziellen Mitteln verzögern Defizite in der Infrastruktur die notwendige Anpassung ebenso wie konkurrierende wirtschaftliche und entwicklungspolitische Prioritäten im Königreich. Gleichwohl hat Marokko bemerkenswerte Fortschritte bei der Klimaresilienz erzielt. Angesichts der zunehmenden Zahl extremer Wetterereignisse bleibt dem Land wohl nichts anderes übrig, als noch mehr zu tun. 

Soukina Nait El-Rayes



© Carnegie Endowment for International Peace 2023

Soukina Nait El-Rayes ist eine marokkanische Journalistin mit einem Master in Journalismus und Medien. Sie arbeitet zu den Themen Umwelt, Gleichberechtigung und Migration.