Eine Oase der Begegnung im Heiligen Land

Austausch und Bildung sind der Kern der Angebote des Ökumenischen Instituts Tantur. Seit einem halben Jahrhundert zieht die Einrichtung Menschen aus aller Welt an - und sucht nach neuen Wegen für Begegnung.

Auf einem grünen Hügel, auf halbem Weg zwischen Jerusalem und Bethlehem liegt das Ökumenische Institut Tantur. Vom Verkehr der Zufahrtsstraße, die unterhalb der Anlage zum nahen israelischen Checkpoint führt, hört man auf dem Parkgelände mit seinem reichen Ölbaum-Bestand wenig. Hierhin kommen Professoren, Pfarrer, Religionslehrer, Studenten und Interessierte, die die Bibel und ihre Umwelt, die Vielfalt der christlichen Kirchen und die Religionen im Heiligen Land besser kennenlernen wollen. Mit einer Festwoche begeht Tantur vom 10. bis 14. Oktober sein 50-jähriges Bestehen.



Die Idee für eine ökumenische Forschungs-, Begegnungs- und Bildungsstelle im Heiligen Land hatte Papst Paul VI. bereits seit Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils. Spätestens nach seiner Heilig-Land-Reise 1964 und der historischen Begegnung mit dem orthodoxen Patriarchen Athenagoras wurde das Projekt konkret.



Von Anfang an maßgeblich dabei war die katholische Universität Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana. Deren Rektor suchte nach einem geeigneten Grundstück - und fand es unweit es uralten Mar-Elias-Klosters, auf jordanischem Gebiet. Spatenstich war am 4. Juni 1967. Ein Tag später begann der Sechstagekrieg, der den Nahen Osten veränderte. Der Konflikt verzögerte den Bau. Aber im September 1972 wurde das Ökumene-Zentrum eröffnet. Der Vatikan hatte das Gelände gekauft und zum Zweck der theologischen und ökumenischen Forschung und Lehre an die Notre-Dame-Universität verpachtet. Aus der Tagesaktualität hält sich Rom heraus: Als ökumenisches Zentrum soll es weitreichend autonom bleiben.



Tantur bot von Anfang an verschiedenste Forschungs- und Bildungsprogramme an. Theologieprofessoren und Ökumenebeauftragte kommen zu Forschungssemestern oder Sabbatjahren; Pfarrer und Religionslehrer verschiedener Konfessionen zur Weiterbildung über die Bibel und die Frühzeit des Christentums. Und das Institut suchte auch das Gespräch mit Rabbinern und Islam-Gelehrten.



Heute bietet Tantur jährlich im Herbst ein Drei-Monats-Programm an, das mit Vorträgen, Begegnungen, Exkursionen einen Überblick über das heutige Heilige Land vermittelt: theologisch, archäologisch, spirituell, interreligiös, aber auch sozial und politisch, wie der Jesuit John M. Paul, seit zweieinhalb Jahren Rektor des Ökumenischen Instituts Tantur, betont. Dann gibt es Sechs-Wochen-Angebote im Frühjahr und im Herbst.



Hinzu kommt ein dreiwöchiges Osterprogramm. Ein zweiwöchiges Angebot "Hakima" widmet sich der Rolle der Frau in jüdischen, christlichen und muslimischen Texten und Traditionen - unter unterschiedlichen kulturellen, politischen und spirituellen Realitäten.



Die Teilnehmer dieser Kurse wohnen auf dem Gelände und werden hier rundum verpflegt. Einmal im Monat lädt Tantur zu einer offenen Vortragsreihe über aktuelle Themen, etwa zivile Konflikte und Friedensstiftung. Zudem stellt Tantur seine Räumlichkeiten und Infrastruktur auch anderen Organisatoren für deren religiöse und ökumenische Initiativen und Programme zur Verfügung.



Darüber hinaus nutzt die Universität Notre Dame den Campus für ihr eigenes Hochschulprogramm. Rund 150 Studierende der US-Universität kommen jeweils zu einem Auslandsjahr oder -semester auf den Hügel. Auf dem Studienplan stehen insbesondere Theologie, Geschichte, Philosophie und Sprachen. Seit 2008 gehört Jerusalem zu den zwölf "Global Gateways" von Notre Dame, ist also eine seiner Auslandsfilialen. Der offizielle Namen lautet "University of Notre Dame at Tantur" - um diese Verbindung klarzustellen, betont Daniel Schwake, der seit 2019 hier Exekutivdirektor ist.



Seit gut einem Jahr hat Schwake das Studium der US-Auslandsstudenten auch für die örtliche Gemeinde geöffnet. Die Studierenden sollen unmittelbaren Kontakt zum Gastland bekommen. Er gründete - nach dem Vorbild christlicher Hochschulgemeinden in Europa - eine Wohngemeinschaft. Dazu nahm er auf das Unigelände neben den US-Studenten 20 auswärtige Kommilitonen auf, vor allem Einheimische, aber auch einige Ausländer, um eine Brücke ins Gastland zu schlagen. Die ersten Erfahrung mit dem neuen Programm seien vielversprechend, so Schwake.



Auch das Jubiläum steht im Zeichen der Begegnung: mit den verschiedenen katholischen Riten und den christlichen Kirchen in Jerusalem. Jeder dieser Tag wird mit einem ökumenischen Taize-Gebet beendet. (KNA)