Israel teilt Gazastreifen in zwei Hälften - Hunderte Ziele bombardiert

Trauer und Frustration bei den Überlebenden des bombardierten Flüchtlingslagers Dschabaliya.
Trauer und Frustration bei den Überlebenden des bombardierten Flüchtlingslagers Dschabaliya. (Foto: Bashar Thaleb/AFP)

Israels Armee will die islamistische Hamas im Gazastreifen offenbar einkesseln. Das Küstengebiet sei jetzt zweigeteilt, heißt es. Derweil bekommen die Menschen unerwartet Hilfe aus der Luft. Ein Überblick zum Geschehen in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.

Tel Aviv/Gaza. Die israelischen Kampfverbände sind im dicht besiedelten Gazastreifen weiter vorgerückt und haben das Küstengebiet nach eigenen Angaben nun komplett in zwei Hälften geteilt. Die Stadt Gaza im Norden sei vollständig eingekreist, sagte ein Armeesprecher am Sonntagabend. Dies sei ein entscheidender Schritt im Kampf gegen die islamistische Hamas. Zivilisten solle es aber weiterhin möglich sein, in den südlichen Teil des Gazastreifens zu fliehen.

Nach Angaben der palästinensischen Telekommunikationsgesellschaft Paltel fielen in Gaza erneut alle Kommunikations- und Internetdienste aus. Israel setzte sein massives Bombardement des dicht besiedelten Gazastreifens fort. Die israelische Luftwaffe bombardierte in den vergangenen 24 Stunden rund 450 Ziele, teilte das Militär am Montagmorgen mit. Darunter seien Tunnel, militärische Anlagen sowie Abschussrampen für Panzerabwehrraketen der islamistischen Hamas gewesen. Zudem hätten die Truppen am Boden einen militärischen Komplex übernommen. Bei dem Einsatz seien «mehrere Hamas-Terroristen» getötet worden, hieß es. Unabhängig waren die Angaben zunächst nicht zu überprüfen. Die Hamas wird von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft.

Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft

In der Nacht zum Montag warf die jordanische Luftwaffe medizinische Hilfsgüter und Medikamente über einem jordanischen Feldlazarett in dem von Israel abgeriegelten Küstenstreifen ab. Die Arbeit dort werde trotz extremer Engpässe bei der Versorgung fortgesetzt, berichtete die Nachrichtenagentur Petra unter Berufung auf Militärquellen. «Es ist unsere Pflicht, unseren Brüdern und Schwestern zu helfen, die im Krieg gegen Gaza verletzt wurden. Wir werden immer für unsere palästinensischen Brüder da sein», schrieb Jordaniens König Abdullah II. bei X. Nach Angaben eines israelischen Armeesprechers erfolgte der Abwurf in Abstimmung mit dem Militär.

Generell verlangt Israel, dass alle Hilfsgüter, die bislang nur über den ägyptischen Grenzübergang Rafah in den Süden des Gazastreifens gelangen, kontrolliert werden. So soll verhindert werden, dass Waffen an die in Gaza herrschende islamistische Hamas geschmuggelt werden, die am 7. Oktober einen beispiellosen Großangriff auf Israel verübte.

Nach einem israelischen Angriff auf einen Krankenwagen, der laut Armeeangaben von der Hamas genutzt wurde, sind Ausreisen aus dem Gazastreifen vorerst gestoppt worden. Betroffen sind sowohl verletzte Palästinenser als auch Ausländer und Palästinenser mit doppelter Staatsbürgerschaft.

Humanitäre Lage in Gaza weiter katastrophal

Hilfsorganisationen beklagen, dass die bislang mit Lastwagen in den Gazastreifen gelangten Hilfsgüter bei weitem nicht ausreichen. In dem dicht besiedelten Küstenstreifen, wo rund 2,2 Millionen Menschen leben, ist die humanitäre Lage weiter verheerend. Die Zahl der getöteten Mitarbeiter der Vereinten Nationen stieg derweil auf 79. Fünf Mitarbeiter seien innerhalb der vergangenen 48 Stunden getötet worden, teilte das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA am Sonntag mit. Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser stieg nach Darstellung der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf 9770.

Israel: Gazastreifen in zwei Teile geteilt

Es gebe jetzt «ein Nordgaza und ein Südgaza», sagte der israelische Militärsprecher Daniel Hagari am Sonntag. Die Einheiten hätten die Küste im südlichen Teil der Stadt Gaza erreicht und würden den Bereich «halten». Die Luftangriffe und Attacken am Boden habe man am Abend ausgeweitet. «Heute Abend führen wir eine wichtige Operation durch», sagte Hagari weiter. Laut der palästinensischen Telekomfirma Paltel wurden alle Hauptleitungen für die Internet- und Kommunikationsverbindungen in Gaza von den Israelis abgeschaltet. Von israelischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung dafür. Wie die «Times of Israel» berichtete, soll der UN-Sicherheitsrat am Montag auf Betreiben der Vereinigten Arabischen Emirate und Chinas erneut zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen, um die jüngsten Entwicklungen im Krieg zwischen Israel und der Hamas zu erörtern.

Erneut Konfrontationen auch an Israels Grenze zum Libanon

Unterdessen kam es auch an Israels Nordgrenze zum Libanon erneut zu Zwischenfällen. Beim Angriff einer israelischen Drohne sollen laut libanesischen Sicherheitskreisen sowie der Hisbollah-Miliz drei Kinder und deren Großmutter getötet worden sein. Das israelische Militär erklärte auf Nachfrage am Sonntag, «ein verdächtiges Fahrzeug» angegriffen zu haben. Es sei «als mutmaßliches Transportmittel für Terroristen identifiziert» worden. «Die Behauptung, dass sich Zivilisten in dem Fahrzeug befanden, wird derzeit geprüft», teilte die Armee mit.

Nach Angaben der Armee kam bei einem Hisbollah-Angriff aus dem Libanon am Sonntag ein israelischer Zivilist ums Leben. Die Hisbollah greife Ziele des israelischen Militärs sowie bewohnte Ortschaften an, ohne dabei zwischen Zivilisten und Angehörigen des Militärs zu unterscheiden. Israels Militär sei auf einen möglichen größeren Angriff im Libanon vorbereitet, sagte Generalstabschef Herzi Halevi am Sonntag bei einem Truppenbesuch. «Wir sind jederzeit bereit, im Norden zuzuschlagen.»

Blinken warnt Milizen

US-Außenminister Antony Blinken richtete am Sonntag bei einem überraschenden Besuch im Irak eine Warnung an die proiranischen Milizen. «Wer auch immer den Konflikt in Gaza ausnutzen will, um unsere Mitarbeiter hier oder anderswo in der Region zu bedrohen - lasst es», sagte Blinken im TV-Sender «Sky News». Sein Besuch im Irak steht auch vor dem Hintergrund zunehmender Angriffe proiranischer Milizen auf US-Truppen im Irak.

Was am Montag wichtig wird

Die Bemühungen um eine Feuerpause für Hilfslieferungen in den Gazastreifen und eine Wiedereröffnung des Grenzüberganges Rafah gehen weiter. Laut einem israelischen Medienbericht soll der UN-Sicherheitsrat erneut zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. (dpa)