Vernünftige Verständigung

Rom ist erkennbar darum bemüht, die Beziehungen zum Islam weiter zu pflegen. Ulrich Ruh informiert über die Kontexte der jüngst erschienenen, gemeinsamen Erklärung von Katholiken und Schiiten.

Kardinal Jean-Louis Tauran; Foto: AP
Vorausgegangen war der Begegnung der islamischen Delegation aus Iran mit dem Papst ein Kolloquium unter der Leitung des französischen Kardinals Jean-Louis Tauran.

​​Auf der letzten Seite der vatikanischen Tageszeitung "L'Osservatore Romano" fand sich am 1. Mai ein Beitrag mit der Überschrift: "Der Heilige Vater trifft mit einer islamischen Delegation aus Iran zusammen".

Vorausgegangen war dieser Begegnung nach der wöchentlichen Generalaudienz ein dreitägiges Kolloquium unter der Leitung des französischen Kardinals Jean-Louis Tauran, derzeit Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, und des Präsidenten der in Teheran beheimateten Islamic Culture and Relations Organisation, Mahdi Mostafavi.

Unspektakuläre Kontinuität

Die knapp gehaltene Erklärung, die als Ergebnis des Treffens verabschiedet wurde, schaffte es dann immerhin auf die erste Seite der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und wurde auch sonst stark beachtet.

Man brachte den Text – unvermeidlicherweise – in Verbindung mit der Regensburger Vorlesung Papst Benedikts XVI. zum Thema Glaube und Vernunft, beginnt er doch mit der These, Glaube und Vernunft seien gleichermassen Gaben Gottes an die Menschheit.

Die zweite These lautet, Glaube und Vernunft stünden nicht im Widerspruch zueinander; der Glaube könne in manchen Fällen über die Vernunft hinausgehen, aber nie gegen sie gerichtet sein.

Dass das römische Kolloquium zwischen Vertretern der für den interreligiösen Dialog zuständigen Abteilung der Kurie und schiitischen Muslimen schon das sechste seiner Art war, lenkt den Blick auf einen Umstand, der angesichts gegenwärtiger Aufwallungen leicht in Vergessenheit gerät: Es gibt eine unspektakuläre Kontinuität der Beziehungen und Gespräche zwischen katholischer Kirchenspitze und islamischen Institutionen.

Schon 1974 installierte Paul VI. die Kommission für die Beziehungen zu den Muslimen, die dem Rat für den interreligiösen Dialog zugeordnet ist.

Mit der Gründung einer solchen Kommission entsprach der damalige Papst der Intention des Zweiten Vatikanischen Konzils, das in seiner epochemachenden Erklärung zum Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen dem Islam ein eigenes Kapitel widmete.

Gegenseitige Verständigung

Dort heisst es, Christen und Muslime sollten sich um gegenseitiges Verstehen bemühen und gemeinsam für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, "der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen" eintreten.

Seit dem Jahr 2000 existiert eine gemischte Kommission, in der Gelehrte der im sunnitischen Islam weithin massgebenden Kairoer Al-Azhar-Universität sich mit dem Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog verständigen; man trifft sich jährlich.

Beim jüngsten Treffen Ende Februar dieses Jahres in Kairo wurde eine Abschlusserklärung verabschiedet, in der bekräftigt wird, alle Religionen achteten die Würde des Menschen ungeachtet seiner Rasse, Hautfarbe oder religiösen Überzeugung.

Man verpflichtete sich gemeinsam, den "Respekt für Religionen, Glaubensrichtungen, religiöse Symbole und heilige Bücher" zu fördern, und appellierte an die Massenmedien, darauf zu achten, dass die Meinungsfreiheit nicht zum Vorwand für die Beleidigung von Religionen oder religiöser Symbole werde.

Diese Stossrichtung kommt auch in der jetzt vorgelegten Erklärung von Vatikan-Vertretern und schiitischen Muslimen zum Ausdruck, in der es heisst, beide Seiten sollten den Respekt für Symbole fördern, "die als heilige betrachtet werden".

Man verurteilt ausserdem, dass Glaubensüberzeugungen lächerlich gemacht werden. Einen interessanten Akzent bringt die neue Erklärung mit dem Hinweis, zum Verständnis heiliger Schriften brauche es eine "adäquate hermeneutische Methode".

Wie weiter?

Man kann auf dem Hintergrund der bisherigen Kontakte zwischen dem Vatikan und muslimischen Instanzen auf das erste Treffen des Katholisch-Muslimischen Forums gespannt sein, das für Anfang November terminiert ist.

Die Gründung dieses Forums erfolgte bei einer Zusammenkunft im Vatikan im März dieses Jahres, die ihrerseits wiederum Folge des Briefes war, den 138 islamische Gelehrte aus 43 Ländern im Oktober 2007 an den Papst und andere christliche Repräsentanten gerichtet hatten. Thema des Treffens im kommenden November soll "Gottes- und Nächstenliebe" sein.

Auch der vatikanisch-schiitische Dialog soll weitergehen: Ein weiteres Kolloquium ist in zwei Jahren in Teheran geplant. – Rom ist also erkennbar darum bemüht, die Beziehungen zum Islam weiter zu pflegen, auch über die bisher bestehenden Gesprächsrunden hinaus.

Es gibt gemeinsame Anliegen, nicht zuletzt im Blick auf den Schutz religiöser Überzeugungen und Symbole gegenüber laizistischen Tendenzen.

Dass daraus allerdings eine problemfreie Allianz wird, kann bezweifelt werden. Dem stehen schon viele Erfahrungen katholischer Christen in muslimischen Ländern entgegen, die in Rom durchaus bekannt sind.

Ulrich Ruh

© Neue Zürcher Zeitung 2008

Der Autor ist Chefredaktor der in Freiburg im Breisgau erscheinenden katholischen Monatszeitschrift "Herder-Korrespondenz".

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