Steinmeier und Erdogan bleiben in Nahost-Frage uneins

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan bei ihrem letzten Zusammentreffen Mitte November 2023 in Berlin.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan bei ihrem letzten Zusammentreffen Mitte November 2023 in Berlin (Foto: ODD ANDERSEN/AFP)

Erdogan hatte seinen Gast aus Deutschland am frühen Nachmittag mit militärischen Ehren einschließlich Salutschüssen begrüßt. Das sich anschließende Gespräch unter vier Augen dauerte erheblich länger als geplant. Eigentlich waren dafür 30 Minuten vorgesehen gewesen - am Ende sprachen beide Präsidenten eine Stunde und 45 Minuten miteinander.

Steinmeier war am Montag zum ersten offiziellen Besuch eines Bundespräsidenten seit zehn Jahren in der Türkei eingetroffen. Offizieller Anlass der Reise war die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 100 Jahren. Die Beziehungen hatten in den vergangenen Jahren durch den repressiven Kurs Erdogans in der Türkei erheblich gelitten. So war es beispielsweise im September 2018 bei einem Staatsbesuch des türkischen Präsidenten in Deutschland während des Staatsbanketts zu einem Eklat gekommen. Erdogan wies damals deutsche Vorwürfe wegen der Menschenrechtslage in der Türkei in scharfer Form zurück. Auch bei einem Besuch Erdogans im November vergangenen Jahres in Berlin war die Atmosphäre eher frostig.
 
Erdogan besorgt über Rassismus in Deutschland

Erdogan zeigte sich jetzt besorgt über den zunehmenden Rassismus in Deutschland. «Unsere Bedenken hinsichtlich aufstrebender fremdenfeindlicher, islamfeindlicher, rechtsextremer und rassistischer Organisationen in Deutschland zusammen mit Europa nehmen stetig zu.» Er sagte zudem, er sei «stolz» auf Millionen Türkeistämmige in Deutschland, die dort wichtige Rollen in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur übernähmen.  Erdogan forderte zudem, Beschränkungen für Rüstungsexporte in die Türkei vollständig aufzuheben. Zudem sollte es mehr
Rüstungszusammenarbeit geben.
 
Steinmeier spricht indirekt Menschenrechtsfrage an

Steinmeier sprach die demokratischen Verhältnisse in der Türkei nur indirekt an, indem er dem Land «eine dynamische, eine demokratische und natürlich eine europäische orientierte Entwicklung» wünschte. Er betonte zudem, dass Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit wichtige Voraussetzungen für Investitionen deutscher Unternehmen in der Türkei seien. Ähnlich sehe es bei der Zusammenarbeit zwischen der Türkei und der Europäischen Union aus. «Auch hier sind Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Pressefreiheit wichtige Voraussetzungen.»  
Gespräche auch mit wichtigen Oppositionspolitikern

Steinmeier machte mit seinem Programm auch deutlich, dass Berlin schon eine mögliche Nach-Erdogan-Zeit in den Blick nimmt. So traf er sich in Istanbul und Ankara mit den dortigen erfolgreichen Oberbürgermeistern Ekrem Imamoglu und Mansur Yavas. Beide gehören der Oppositionspartei CHP an, die bei den Kommunalwahlen Ende März erfolgreich war. Mit dem CHP-Vorsitzenden Özgür Özel wollte Steinmeier vor seinem Rückflug ebenfalls noch sprechen. (dpa)