Krieg in Israel und Gaza: Wachsende Muslimfeindlichkeit in den USA

USA. Muslime beim Gebet in einer Moschee in Illinois
Muslime beim Gebet in einer Moschee in Illinois. (Foto: Jacek Boczarski/Anadolu/picture alliance)

Seit den Terrorangriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober sehen sich Muslime in den USA unter Generalverdacht gestellt. Wie nach dem 11. September 2001 gehört wachsende Islamophobie wieder zu ihrem Alltag.

Als Hanaan Shahin ihre Wohnungstür öffnete, war es schon zu spät. Joseph Czuba, ihr Vermieter, stach sofort mit einem Messer auf die US-Palästinenserin und ihren sechs Jahre alten Sohn Wadea ein. Schwer verletzt rief sie die Notrufnummer 911 an. Als die Rettungshelfer kamen, war ihr Sohn schon verblutet. Das Verbrechen schockte die USA. Tausende kamen Mitte des Monats zur Beerdigung des kleinen Wadea.

Präsident Joe Biden forderte seine Landsleute auf, "Islamophobie und alle Formen von Bigotterie und Hass abzulehnen". Der mutmaßliche Hassmord von Plainfield im Bundesstaat Illinois ist die bislang grausigste Tat eines Islamophoben, aber nicht die einzige Attacke auf US-Muslime nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober.

In Michigan verhaftete die Polizei einen Mann, der über Facebook dazu aufgerufen hatte, "Palästinenser zu jagen". In Pennsylvania nahmen Sicherheitskräfte einen Muslim-Hasser fest, der einen propalästinensischen Demonstranten mit einer Waffe bedroht hatte. Und in Boston besprühten Unbekannte das palästinensische Kulturzentrum für Frieden mit Nazi-Parolen.

"Die ganze Gemeinschaft hat Angst, sie ist wie versteinert", fasst die Kommunikationschefin des "Arab American Anti-Discrimination Committee", Jasmine Hawamdeh, den Gemütszustand der US-Muslime zusammen. Sie gingen nicht mehr allein nach draußen; an vielen Schulen und Universitäten habe die Polizei Position für mehr Sicherheit von Muslimen bezogen.

Alarmglocken schrillten auch beim "Council on American-Islamic Relations" (CAIR). Ihr jährliches Treffen im Hotel Arlington in Virginia sagten sie kurzerhand ab. Die Vorsicht ist nicht unbegründet. Extremisten hatten gedroht, Bomben zu legen.

Auch im politischen Raum heizt die Atmosphäre auf. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Ron DeSantis erklärte Palästinenser pauschal zu unerwünschten Personen in den USA. Sie seien zwar nicht alle für die Hamas, aber "alle antisemitisch". Die Republikanerin Marjorie Taylor Greene ging noch weiter und twitterte, jeder, der sich propalästinensisch bekenne, sei auch für Hamas. Senator Lindsey Graham aus South Carolina forderte Israel auf Fox News auf, den Gazastreifen "einzuebnen".

Die neue Islamophobie erinnert muslimische US-Amerikaner an das Klima nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. "Es ist sogar noch schlimmer", so der New Yorker Aber Kawas von der "US-Kampagne für die Rechte der Palästinenser". Bigotterie und Islamfeindlichkeit seien unkontrolliert auf dem Vormarsch.

Anfeindungen und Bedrohungen sind aber auch Nichtmuslime ausgesetzt, wenn sie Partei für die Palästinenser nehmen - auch ohne dabei die Taten der Hamas zu rechtfertigen. Mehr als 30 Studierenden-Gruppen der Elite-Uni Harvard hatten in der Nacht des Hamas-Angriffs in einem Offenen Brief Israel eine Mitverantwortung für den Tod von mehr als 1.400 Menschen zugewiesen. Kurz darauf fuhr ein Lkw über den Harvard Square, auf dessen Ladefläche eine digitale Leinwand Fotos und Namen der Unterzeichner präsentierte. Der Slogan: "Harvards führende Antisemiten".

So fragwürdig das Timing der Israel-Kritik der Studierenden war, so umstritten ist die als "Doxxing" bekannte Veröffentlichung privater Informationen durch die Organisatoren der Lkw-Aktion. Betroffene verglichen die Schwarzen Listen umgehend mit der Kommunistenverfolgung in der McCarthy-Ära der 50er Jahre.

Rechte Medien heizen die antimuslimische Hysterie in Teilen der Bevölkerung ihrerseits an. So unterstellte ein Moderator von "Newsmax" Palästinensern pauschal, sie seien "süchtig nach Gewalt". Eines von vielen Beispielen, die sich auch auf Fox und im Talkradio finden lassen.

Joseph Czubas Ehefrau behauptet, ihr Mann sei von den Medien zu der Bluttat an dem kleinen Wadea aufgehetzt worden. Sie sagte den Ermittlungsbehörden, der mutmaßliche Mörder habe geradezu zwanghaft das Geschehen in Israel auf den einschlägigen Kanälen verfolgt. Das habe ihn dazu gebracht, gewalttätig zu werden. "Er war wie besessen!". (KNA)

 

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