Israelischer Experte: Kairoer Azhar-Universität wird Hamas nicht verurteilen

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi und Großimam der Al Azhar Ahmad al-Tayeb.
Nachdem Präsident Abdel Fattah al-Sisi und teilweise auch die Militär- und Sicherheitsdienste die Kontrolle über fast alle staatlichen Institutionen an sich gezogen haben, kämpft Al-Azhar um die Wahrung seiner Autonomie. (Foto: picture alliance / ZUMAPRESS)

Die Al-Azhar-Universität in Kairo, weltweit die wichtigste Lehrstätte des sunnitischen Islams, spielt aus Sicht des israelischen Experten Ofir Winter eine zwiespältige Rolle im Nahost-Krieg. Als staatliche Institution verfolge die Azhar die Linie der ägyptischen Außenpolitik und damit einen Balanceakt, sagte Winter, leitender Forscher am Institut für nationale Sicherheitsstudien der Universität Tel Aviv, am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Einerseits wahre die Hochschule deshalb Distanz zur Hamas, die ein Sprössling der oppositionellen Muslimbrüder ist und deren religiös-fundamentalistische Ideologie teilt, so Winter. "Andererseits muss Kairo die allgemeine Solidarität mit den Palästinensern und der Hamas in der Bevölkerung beachten."

Der ägyptische Staatsislam habe durch seine Imame, Gelehrten, Moscheen und das Bildungssystem großen Einfluss im Volk. "Er darf aber nicht durch Verurteilung der Hamas den Muslimbrüdern die politische Chance geben, sich als Vertreter des authentischeren Islam zu profilieren." In einer Erklärung hatte die Azhar-Universität den Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober als "Widerstandsbemühung des stolzen palästinensischen Volkes" bezeichnet.

Die 1928 in Ägypten gegründeten, weltweit vernetzten Muslimbrüder, aus deren Reihen die Hamas hervorging, sind die einflussreichste islamistische Bewegung. Nach dem "Arabischen Frühling" stellten sie 2012/13 die Regierung in Ägypten, bevor sie durch einen Putsch des jetzigen Präsidenten Abdelfattah al-Sisi von der Macht entfernt und verfolgt wurden.

Al-Sisi will nach den Worten Winters einen Flüchtlingsstrom aus dem Gazastreifen nach Ägypten unbedingt verhindern. Zum einen werde Kairo keine israelische Vertreibung unterstützen und wolle zum anderen keine Verlagerung des palästinensischen Widerstands von Gaza in den Sinai. "Ägypten hat Milliarden in die Entwicklung des Sinai gesteckt und hat Angst um seine Wirtschaft." Das Land könnte allenfalls einige zehntausend Palästinenser aufnehmen, wenn es eine Garantie bekommt, dass sie am Ende wieder nach Gaza zurückkehren. "Eine dauerhafte Massenumsiedlung von Gazabewohnern wird es mit Kairo aber nicht geben." (KNA)

 

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