Internationaler Gerichtshof entscheidet im "Völkermord"-Verfahren gegen Israel

Der südafrikanische Justizminister Ronald Lamola und der südafrikanische Botschafter Vusimuzi Madonsela in den Niederlanden bei der Anhörung.
Der südafrikanische Justizminister Ronald Lamola und der südafrikanische Botschafter Vusimuzi Madonsela in den Niederlanden bei der Anhörung. (Foto: REMKO DE WAAL/ANP/AFP/Getty Images)

Den Haag - Im viel beachteten Verfahren gegen Israel wegen der Vorwürfe des "Völkermords" im Gazakrieg hat der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag angekündigt, am Freitag eine Entscheidung zu verkünden. Die Richter könnten Israel per Eilanordnung anweisen, die Angriffe auf den Gazastreifen sofort einzustellen. 

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärte bereits, sich an keine Anordnung des IGH gebunden zu fühlen.
"Niemand wird uns aufhalten - nicht Den Haag, nicht die Achse des Bösen und auch sonst niemand", sagte Netanjahu vor gut einer Woche mit Blick auf die mit dem Iran verbündeten Gruppen der "Achse des Widerstands", der auch die radikalislamische Hamas angehört.


Südafrika hatte Klage vor dem IGH erhoben und wirft Israel einen Verstoß gegen die Völkermordkonvention vor. In dem seit dem 11. Januar laufenden Verfahren forderten die Kläger von dem UN-Gericht, Israel im Eilverfahren anzuweisen, seinen Militäreinsatz im Gazastreifen sofort einzustellen.


Mit seinem Vorgehen verfolge Israel "das Ziel, Palästinenser im Gazastreifen als Teil der größeren nationalen, rassischen und ethnischen Gruppe der Palästinenser zu vernichten", argumentierte Südafrika in seiner Klageschrift.


Israel verteidigte sich in einer Anhörung gegen den Vorwurf des "Völkermords" und erklärte, Südafrika habe dem Gericht "leider eine völlig verzerrte" Bild der Tatsachen und der rechtlichen Einordnung vorgelegt. "Was Israel mit seinen Operationen im Gazastreifen bezweckt, ist nicht die Vernichtung eines Volkes, sondern der Schutz eines Volkes, seines Volkes, das von mehreren Fronten angegriffen wird", sagte der Anwalt Tal Becker.


Am Freitag will nun der IGH zunächst ausschließlich in dem Eilverfahren über einen möglichen Stopp des israelischen Angriffe im Gazastreifen entscheiden. Bis zu einem abschließenden Urteil zum Vorwurf des "Völkermords" wird es Jahre dauern. Dennoch könnte das Urteil schon jetzt den politischen Druck auf Israel erhöhen.


Israels Verbündeter USA hat die Klage Südafrikas als unbegründet zurückgewiesen und eine entschiedene Verteidigung zugesagt. Auch die Bundesregierung wies den gegen Israel erhobenen Vorwurf des Völkermords "entschieden und ausdrücklich" zurück. Deutschland will sich in der Hauptverhandlung als Drittpartei äußern.


Am 7. Oktober waren hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Nach israelischen Angaben wurden etwa 1140 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.


Israel greift den Gazastreifen seither massiv an. Nach nicht unabhängig überprüfbaren Hamas-Angaben wurden in dem Palästinensergebiet bisher mehr als 25.700 Menschen getötet, darunter mehr als zwei Drittel Frauen und Kinder.


Der Internationale Gerichtshof in Den Haag ist das zentrale Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen und entscheidet über Streitigkeiten zwischen Ländern. Seine Urteile sind bindend. Allerdings stehen dem IGH keine wirklichen Instrumente zur Verfügung, um eine Einhaltung seiner Urteile durchzusetzen. (AFP) 

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