Chalifa Haftar in Libyen: Ein General meldet sich zurück

Die russische Söldnerfirma Wagner sitzt in Libyen an einem wichtigen Knotenpunkt für Afrika und an wichtigen Öl- und Gasreserven auch für Europa. Die USA setzen auf die Hilfe eines zwielichtigen Bekannten, um die Gruppe einzudämmen - wenn es dafür nicht schon zu spät ist. Von Johannes Sadek, dpa



Bengasi. Der General lächelt. Chalifa Haftars militärgrüne Uniform sitzt, die vielen Orden an der Brust auch. Mit der Rechten umschließt er die Hand von Barbara Leaf, Vize-Staatssekretärin der USA für den Nahen Osten. Zufrieden blickt Haftar in die Kamera, Leaf wirkt eher unbequem. Aber in Libyen, so der Eindruck, führt für die USA am General und mutmaßlichen Kriegsverbrecher Chalifa Haftar kaum ein Weg vorbei. Auch wegen seiner Verbindungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine.



Rückblick zum 4. April 2019: Haftar befehligt Truppen seiner selbst ernannten Libyschen Nationalarmee (LNA), die Hauptstadt Tripolis einzunehmen, Sitz der von den Vereinten Nationen anerkannten Regierung. «Mit Gottes Hilfe werden wir unseren Siegeszug beenden», sagte Haftar, der sich inzwischen als Feldmarschall betiteln lässt, obwohl es diesen Rang in Libyen gar nicht gibt. Erst nachdem die Türkei militärisch eingreift, werden Haftars Truppen im Sommer 2020 vertrieben.



Das faktisch zweigeteilte Libyen ist weiter festgefahren im Konflikt, in dem unzählige Milizen und ausländische Staaten um Ressourcen und Macht ringen. Waffen-, Drogen- und Menschenhandel haben den Eindruck eines gesetzlosen Wüstenstaats entstehen lassen. Der Bürgerkrieg war nach dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ausgebrochen. Dass eine eigentlich Ende 2021 geplante landesweite Wahl dieses Jahr endlich stattfindet, glaubt kaum jemand.



Haftars Überfall jährt sich in diesen Tagen erneut. Trotz des Angriffs und der Kriegsverbrechen, an denen Haftar beteiligt sein soll - darunter Hinrichtungen Gefangener -, bleibt der General für Washington ein wichtiger Gesprächspartner. Denn neben Ägypten und den Emiraten erhält er auch Unterstützung von Russland. Auf der anderen Seite sitzt die von der Türkei unterstützte Regierung in Tripolis.



In Libyen hat die kremlnahe Söldnerfirma Wagner Zugang zu Gas- und Ölfeldern des Landes - und einen strategisch wichtigen Standort für Aktivitäten in Nachbarstaaten. Der Knotenpunkt Libyen führt Wagner direkt oder indirekt nach Mali, Niger, Burkina Faso, Tschad, Sudan, die Zentralafrikanische Republik.



«Die Amerikaner haben das gesamte Jahr 2022 in Afrika verpasst», sagt Jalel Harchaoui vom britischen Royal United Services Institute. Die USA hätten sich 2022 darauf konzentriert, die Ukraine zu bewaffnen - und gedacht, Russland würde wegen seiner Verluste in der Ukraine «auf magische Weise» den afrikanischen Kontinent verlassen. Das Gegenteil war der Fall: Die Wagner-Gruppe hat aggressiv expandiert. Dank der reichen Bodenschätze und dem afrikanischen Energiebedarf hilft sie dem Kreml laut Experten auch, westliche Sanktionen zu umgehen.



Libyen könne für Russlands Präsident Wladimir Putin dabei zur Trumpfkarte werden, schreibt das US-amerikanische Magazin «Foreign Policy». Das Land verfügt über 39 Prozent der Ölreserven ganz Afrikas. 63 Prozent der Exporte gingen im Jahr 2020 nach Europa – vor allem nach Italien, Spanien und Deutschland. Die derzeit etwa 1000 Wagner-Söldner in Libyen haben sich dort an Ölanlagen positioniert.



Mit einem Würgegriff könnten sie im Nu eine Million Barrel Öl täglich vom Markt nehmen. Auch als mögliche Vergeltung für Aktivitäten des Westens in der Ukraine. Wie dringlich die Lage geworden ist, zeigte der überraschende Besuch von CIA-Chef William Burns in Libyen im Januar. Burns machte Haftar dabei klar, dass die USA keine Zusammenarbeit mit Wagner mehr dulden würden. Nach dem Besuch erklärte Washington die Gruppe dann zur «transnationalen kriminellen Organisation» und verhängte Sanktionen.



Experte Jalel Harchaoui kommentiert den Schritt: «Abgesehen von Sanktionen wissen (die USA) nicht so recht, was sie tun sollen.» Besonders beliebt ist Haftar in Libyen nicht, sein Einfluss ist vor allem auf den Osten beschränkt. Bei einer Wahl würde er vielleicht fünf bis zehn Prozent der Stimmen holen, vermutet Harchaoui. Aber er hat mit einer Reihe von Auftritten und - wenn auch allgemein gehaltenen - Drohungen gezeigt, dass er in Libyen weiterhin eine ernstzunehmende Figur ist und dass er im Osten den Ton angibt. Sollte der 79-Jährige in den Hintergrund treten, wird schon jetzt darüber spekuliert, welcher seiner Söhne den Platz einnehmen könnte. (dpa)