«Wir wollen nach Hause» - Hunderttausende Rohingya harren weiter in Flüchtlingscamps aus

Fünf Jahre nach Myanmars brutaler Militäroffensive gegen die Rohingya sitzen Hunderttausende Flüchtlinge weiter unter katastrophalen Bedingungen in Bangladesch fest. Eine Rückkehr ist nicht in Sicht. Von Nicola Glass (epd)



Frankfurt a.M./Cox's Bazar. Tausende Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch haben deutlich gemacht, was sie sich am innigsten wünschen: «Wir wollen nach Hause», skandierten sie bei Demonstrationen anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni in den Lagern. Nach fünf Jahren in den Camps im Distrikt Cox's Bazar ist der Wille zur Heimkehr ungebrochen. «Wir wollen hier in Bangladesch nicht als Flüchtlinge leben», sagte der Aktivist Mohammad Zubair dem Sender Voice of America. Dabei müssen auch die in Myanmar verbliebenen Angehörigen der muslimischen Minderheit weiter um ihre Sicherheit fürchten.



Bereits die Massenflucht aus Myanmars westlichem Rakhine-Staat vor fünf Jahren war eine Katastrophe mit Ansage. Nachdem die Rohingya-Miliz Arsa am 25. August 2017 Polizei- und Grenzposten überfallen hatte, begann die Armee unter dem Vorwand einer Antiterrormission eine Offensive gegen die gesamte Volksgruppe. Mehr als 740.000 Rohingya flüchteten nach Bangladesch. Menschenrechts- und Juristenorganisationen widersprechen der Darstellung der Armee, es habe sich um «spontane Vergeltung» gehandelt. Sie dokumentierten stattdessen, dass die Brutalität von langer Hand geplant war – mit Unterstützung von buddhistischen Ultranationalisten.



Auch UN-Ermittler werfen dem Militär unter dem damaligen Armeechef und jetzigen Diktator Min Aung Hlaing Völkermord vor. Die inzwischen gestürzte Regierung unter Aung San Suu Kyi gilt als mitschuldig. Die USA stufen die Gräuel ebenfalls als Genozid ein.



Der Aktivist Zubair von der Organisation Arakan Rohingya Society for Peace and Human Rights fordert die Staatengemeinschaft dazu auf, Druck auf Myanmar ausüben, um akzeptable Bedingungen für eine Rückkehr zu schaffen. Vor allem müssten die Rohingya ihre staatsbürgerlichen Rechte zurückbekommen, die ihnen bereits 1982 durch ein Gesetz in dem mehrheitlich buddhistischen Staat genommen wurden. Eine Repatriierung müsse von ausländischen Staaten und Organisationen beaufsichtigt werden.



Doch eine solche Lösung ist in weiter Ferne. In Medienberichten ist schon die Rede von einem «ewigen Exil». Seit dem Militärputsch vom Februar 2021 in Myanmar terrorisiert die Junta die gesamte Bevölkerung, im Land herrschen Chaos und Bürgerkrieg.



Somit ist auch die Lage der in Myanmar Verbliebenen immer verzweifelter. Insgesamt leben im Westen des Landes noch etwa 600.000 Rohingya, die laut Human Rights Watch immer neue Restriktionen und Blockaden humanitärer Hilfe erdulden müssen. Darunter sind bis zu 140.000 Menschen, die seit Pogromen 2012 in Lagern festgesetzt sind. Laut Human Rights Watch müssen die Rohingya in Rakhine immer neue Restriktionen und Blockaden humanitärer Hilfe erdulden.



Groß ist auch das Leid der Geflüchteten in Cox's Bazar. «Während die Ukraine die globale Aufmerksamkeit dominiert, fühlt es sich fast so an, als ob der Rest von uns um die Brotkrümel konkurrieren muss», monierte der Advocacy-Manager des Norwegischen Flüchtlingsrates in Bangladesch, Imrul Islam, in einem Kommentar für das Nachrichtenmagazin «The Diplomat». «Flüchtlinge sagen uns, dass sie sich von der Welt vergessen fühlen, und sie haben nicht unrecht.»



Bangladesch mit seinen etwa 170 Millionen Einwohnern sieht die Rohingya zunehmend als Last. Stacheldrahtzäune wurden rund um die Camps errichtet und bis Mai 28.000 Geflüchtete auf die unwirtliche Insel Bhasan Char umgesiedelt. Ende 2021 entschieden die Behörden, Schulen für Flüchtlinge zu schließen.



Versuche einer Rückführung schlugen bislang fehl. Die Bedingungen dafür seien nicht gegeben, betonte auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, bei ihrem Besuch in Bangladesch Mitte August. Zugleich fürchteten die Geflüchteten um ihre Sicherheit in den Camps durch «Aktivitäten bewaffneter Gruppen und krimineller Banden.» Bachelet äußerte sich außerdem besorgt über die «wachsende Anti-Rohingya-Rhetorik» im Land.



Die Flüchtlinge in Bangladesch seien weiter von ihrer Heimat entfernt als vor fünf Jahren, erklärte Imrul Islam: «Generationen von Rohingya haben die Welt um das absolute Minimum gebeten - eine faire Chance auf eine Zukunft - nur um immer wieder abgewiesen zu werden.» (epd)