
Deutschland ist kein Antirassismus-Vorbild für die USA
In den vergangenen Wochen ist Deutschland in sozialen Medien häufig als Vorbild für den Umgang mit den Gräueltaten der Vergangenheit gelobt worden. Diese Wahrnehmung ist nicht neu, aber sie hat an Boden gewonnen, seit Statuen von Südstaaten-Generälen aus dem US-amerikanischen Bürgerkrieg von Kolonialherren und anderen gestürzt wurden.
Seit die Studentenunruhen der 1960er Jahre das belastete Schweigen über die NS-Zeit durchbrochen haben, sind zahlreiche Holocaust-Mahnmale errichtet und ehemalige Konzentrationslager in Bildungseinrichtungen umgewandelt worden. Das waren unbestreitbar richtige Entscheidungen. Heute aber ringen wir kollektiv mit der Frage, wie wir die Zukunft gemeinsam gestalten sollen.
Deutschland beweist dabei derzeit, dass die Wiedergutmachung der Sünden der Vergangenheit wenig bewirkt, wenn die Strukturen, die diese Gräueltaten erst möglich gemacht haben, nicht aufgelöst werden.
Keine Auseinandersetzung mit deutscher Kolonialgeschichte
Als Austauschschülerin in Deutschland, vor etwa 20 Jahren, wohnte ich bei einer deutsch-türkischen Familie, die mir half, mein Bild von Deutschland als Land ohne kulturelle Vielfalt abzulegen. Jahre später zog ich für ein Jahr nach Berlin, aus dem dann acht wurden. Im vergangenen Herbst kehrte ich nach abgeschlossener Promotion in die USA zurück. Das Thema meiner Doktorarbeit war die nationale Identität Deutschlands im Verhältnis zu Rassifizierung und Rassismus.

Während meiner Promotion unterrichtete ich Lehramtsstudierende an der Universität Potsdam mit Schwerpunkt auf historischen und gegenwärtigen Ungerechtigkeiten. Die meisten Studierenden hatten sich nie zuvor mit der deutschen Kolonialgeschichte auseinandergesetzt. Nur wenige waren bereit, diese Wissenslücke zu schließen. "Ständig sagt man uns, wie schrecklich wir Deutschen während des Zweiten Weltkriegs waren. Warum sollen wir uns mit weiteren dunklen Kapiteln der deutschen Geschichte befassen?", lautete eine häufig gestellte Frage.
Interview mit dem Rassismusforscher Mark Terkessidis