Salafisten mit YouTube-Satire bekämpfen

Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen setzt auf Humor als Kampfmittel gegen islamistischen Extremismus. "Jihadi-Fool" heißt ein neuer YouTube-Kanal. Seine Strategie: Witz und Aufklärung. Einzelheiten von Louisa Wright

Von Louisa Wright

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat einen satirischen YouTube-Kanal gestartet, um die Radikalisierung junger Menschen zu verhindern. Das Projekt wurde vom Verfassungsschutz in NRW ins Leben gerufen und besteht aus zwei Teilen: einem satirischen YouTube-Kanal namens "Jihadi-Fool" (Dschihad-Dummkopf) und einem begleitenden Aufklärungskanal.

Die ersten drei Folgen von "Jihadi-Fool" wurden auf der Gamescom 2019 in Köln vorgestellt. Es handelt sich um eine Mischung aus Sketch- und Comedy-Format, das "satirisch die Absurdität von Radikalisierung, Terrorismus und Islamismus thematisiert", so die Pressemitteilung. Der Begleitkanal, der mit etwas Verzögerung am letzten Dienstag an den Start ging, greift die Inhalte der Satire auf und stellt ihnen Fakten gegenüber. Innerhalb eines Jahres sollen 32 satirische Videos und 16 Sachvideos veröffentlicht werden. Die Kosten belaufen sich auf rund 500.000 Euro.

"Dschihad-Dummkopf" muss sich noch bewähren

In einer der Folgen, die bereits online sind, begegnen sich ein Rechtspopulist und ein Islamist auf der Straße. Beide versuchen, Passanten von ihren unterschiedlichen Weltanschauungen zu überzeugen, entdecken aber plötzlich, dass sie in ihren homophoben und sexistischen Ansichten viel Gemeinsames haben und verbrüdern sich dann.

Eine weitere Folge zeigt eine fiktive TV-Seifenoper mit dem Titel "Goodbye Syria", in der ein zurückgekehrter Extremist versucht, mit den Herausforderungen des Alltagslebens in Deutschland zurechtzukommen. Er will eine Shisha-Bar gründen. Wenn ein Freund sich skeptisch dazu äußert, wird dieser vom Rückkehrer gesteinigt – aus Gewohnheit.

Die Videos des Kanals wurden bislang mehr als 11.000 Mal angesehen. Einige Zuschauer, die sich in den Kommentaren äußerten, fühlten sich gut unterhalten, während andere die Verschwendung von Steuergeldern kritisieren.

"Extremisten in NRW noch aktiv"

NRW-Innenminister Herbert Reul sagte in einer Presseerklärung, dass die militärische Niederlage des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) nicht bedeute, dass sich die 3.100 salafistischen Extremisten, die im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands leben, "in Luft aufgelöst" hätten. "Sie sind immer noch aktiv und nutzen alle Kanäle, auf denen sie junge Menschen finden können", so Reul.

Deshalb sei es wichtig, dieselben Online-Plattformen zu nutzen, um die Radikalisierung junger Menschen zu bekämpfen. "Eine Verfassungsschutzbehörde, die ihre Aufgabe der Prävention ernst nimmt, kann sich nicht einfach von solchen Plattformen zurückziehen", sagte Reul. "Wir müssen dorthin gehen, wo unsere Zielgruppe ist."

Jawaneh Golesorkh, Forscherin bei Ufuq, einer Organisation, die Präventionsarbeit zu den Themen Islam und Islamfeindlichkeit betreibt, hält die satirischen Videos für eine gute Initiative. Doch alles hinge davon ab, wessen Etikett sie tragen. Um die Richtigen zu erreichen, sei die Zusammenarbeit mit Influencern wirksamer als mit staatlichen Institutionen.

Integration an erster Stelle

Ufuq habe, so Golesorkh, in der Vergangenheit erfolgreich mit berühmten deutschen Comedy-Stars zusammengearbeitet. Sie unterstrich auch die Wichtigkeit von Projekten wie etwa "Say My Name", das von der Bundeszentrale für politische Bildung gestartet wurde und darauf abziele, Extremismus bei jungen Frauen im Alter von 14 bis 25 Jahren zu verhindern. In Videos von Influencerinnen werden darin Themen wie Identität und Radikalisierung diskutiert.

Der Historiker und Islamismusexperte Christian Osthold sagte im Interview mit der DW, dass satirische Videos zwar einen Beitrag zum Kampf gegen den Extremismus leisten könnten, dass es aber wichtig sei, einflussreiche Persönlichkeiten aus der islamischen Gemeinschaft einzubeziehen. Der Nachteil sei nämlich, dass YouTube hauptsächlich von salafistischen Predigern genutzt worden sei, die sehr gut wissen, wie man junge Muslime effektiv manipuliert.

Ufuq habe festgestellt, dass Präventionsprojekte erfolgreich sein können, wenn sie nicht nur vor dem Islamismus warnen, sondern auch Themen wie Demokratie und Einwanderung miteinbeziehen. "Anstatt von oben herab zu sagen: 'Ich werde dir zeigen, wie man lebt', ist es besser, auf Augenhöhe zu agieren", sagt Jawaneh Golesorkh. Radikalisierung entstehe oft aus dem Gefühl heraus, dass man kein wertvoller Teil der Gesellschaft sei und nicht dazugehöre.

Das sieht auch Christian Osthold so: "Menschen sind vor allem Gesellschaftswesen, die nach Bestätigung und Anerkennung ihrer Umwelt streben". Wenn Menschen das Gefühl haben, nicht zur Gesellschaft zu gehören, wenden sie sich oft ab. Dann könnten sie anfällig für den Einfluss salafistischer Prediger werden, die sagen: 'Nicht du als Moslem bist das Problem, sondern die gottlose, nicht-islamische Gesellschaft, in der du lebst'.

Laufzeit von "Jihadi-Fool" noch offen

Für Golesorkh besteht der beste Weg zur Bekämpfung der Radikalisierung darin, jungen Menschen in Deutschland die Möglichkeit zu geben, sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen. Denn das sei vielfach nicht der Fall. "Junge Leute, die sehen, dass ihre Eltern und Großeltern seit 20 Jahren in Deutschland leben, aber immer noch nicht wählen dürfen, fühlen sich ausgegrenzt", sagt Golesorkh.

Noch ist offen, wie lange "Jihadi-Fool" produziert wird. Wolfgang Beus, Sprecher des Innenministeriums NRW, sagte auf DW-Anfrage, sein Ministerium werde die Akzeptanz genau beobachten, bevor beschlossen würde, die Videos auf dem Kanal für ein weiteres Jahr zu produzieren.

Louisa Wright

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