
Islam-Debatte in DeutschlandArgumente gegen die Hysterie
Sie beschreiben Ihr gemeinsames Buch ausdrücklich nicht als ein „islamkritisches“ Buch, sondern als „kritisches Islambuch“. Diesen Unterschied zu betonen, scheint Ihnen sehr wichtig zu sein. Warum?
Monika Tworuschka: Der Begriff „Islamkritik“ ist von Personengruppen besetzt, denen es eher um Polemik als um kritische Auseinandersetzung geht. Diese „Islamkritiker“, die eine Abneigung und Feindseligkeit gegenüber allem Islamischen verbindet, treten – nicht immer seriös – als Stimmungs- und Panikmacher auf. Im Grunde wollen sie sich nicht kritisch mit dem Islam auseinandersetzen, sondern beweisen: Der Islam behindert den Fortschritt und bedroht die Gesellschaft.
Wir halten es grundsätzlich für legitim, Religion zu kritisieren, weil wir die Säkularität unseres Gemeinwesens als großen Gewinn betrachten. Seit Humanismus und Aufklärung ist Kritik eine unverzichtbare Eigenschaft des autonomen Menschen. Für Kant, der seine Epoche als „das eigentliche Zeitalter der Kritik“ bezeichnete, stand jedoch „außer Frage, dass der kritische Vernunftgebrauch erst aus einem disziplinierenden, kultivierenden, zivilisierenden und moralisierenden Erziehungsprozess hervorgeht“.
Udo Tworuschka: Dagegen eint die „Islamkritiker“ vor allem eins: die Ablehnung des Islam und die Abrechnung mit allem Islamischen. Der Argumentation einiger Autoren ist anzumerken, dass sie ihre Religion zumindest innerlich längst verlassen haben. Als Aussteiger werfen sie den berühmt-berüchtigten „Blick zurück im Zorn“ auf ihre Glaubensgemeinschaft und raunen von „Abrechnung“, „Untergang“ und „Abschied“.
Zugegeben, manches mögen die „Islamkritiker“ schärfer sehen als diejenigen, die im Einklang mit ihrer Glaubensgemeinschaft leben. Doch sie entwerten ihre Argumente selbst, weil sie maßlos übertreiben, Fakten ausblenden oder verzerren. Die „Islamkritiker“ haben dazu beigetragen, dass sich hierzulande in manchen Kreisen eine Grundstimmung ausgebreitet hat, die jede auch nur halbwegs positive Äußerung zum Islam als „Kapitulation“ wertet.
Monika Tworuschka: Wir haben bewusst kein „islamkritisches“ Buch geschrieben, sondern ein „kritisches Islambuch“. Es nimmt die unterschiedlichen Positionen von Musliminnen und Muslimen ernst. Wir respektieren und schätzen Musliminnen und Muslime, die im Einklang mit den ethischen Geboten ihrer Religion leben wollen. Gleichwohl zeigen wir klare Kante gegen alle gewaltorientierten Formen von Islamismus, Demokratiefeindlichkeit und Unterdrückung von Frauen.

Islam ist eine Weltreligion, keine Ideologie
Die kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit gängigen Klischees, Vorurteilen und Halbwahrheiten über den muslimischen Glauben bildet den roten Faden Ihres Buches. Warum haben Sie sich entschieden, das Thema in Form von Thesen zu behandeln? Und für wen haben Sie das Buch eigentlich geschrieben?
Udo Tworuschka: Wir haben uns für die Thesenform entschieden, um Inhalte, die uns wichtig sind, mit wenigen Worten auf den Punkt bringen zu können. Dadurch wollten wir die Leser direkter anzusprechen.
Das Buch ist ja nicht nur für Zeitgenossen gedacht, die ähnlich denken wie wir, sondern auch für die große Zahl von gering Informierten, zu denen wir auch führende Politiker zählen. Wir wollen, dass sie die in unserem Land lebenden Muslime besser verstehen. Der Islam hat Europa kulturell bereichert und stellt einen bedeutsamen Teil der europäischen und deutschen Geschichte dar. Das wollen wir vermitteln.
Monika Tworuschka: Unser Buch soll all jene kaum Informierten in die Lage versetzen, ihre Fehlurteile und Voreinstellungen zu revidieren. Vor allem wollen wir der Einsicht den Weg bereiten, dass die meisten Prinzipien der islamischen Ethik mit deutscher Kultur und ihren Werten vereinbar sind. Wir würden gerne furchtsame Menschen erreichen, damit sie ihre diffuse Angst vor dem Islam verlieren. Wir möchten sie davon überzeugen, dass der Islam eine dem Christentum gleichwertige Weltreligion ist - und keine bedrohliche Ideologie.
Leserkommentare zum Artikel: Argumente gegen die Hysterie
Schade, dass der Artikel seinen Titel nicht mit Inhalt füllt. Anstelle eines „kritischen Islambuches“ präsentiert sich hier „West/Europa-Kritik“. Leider genau dem negativ Islambild entsprechend, in dem sich Muslime immer zu selbst in die Opferrolle manövrieren, anstatt „kritischen Islam“ zu üben. Schade. Es gibt ehrlichere Ansätze!
Lars07.02.2020 | 23:06 Uhr