Ein neues Leben in Sicherheit

Im Rahmen des Wiederansiedlungsprogramms der Vereinten Nationen für Irak-Flüchtlinge wird Deutschland in den kommenden Monaten insgesamt 2.500 Flüchtlinge aufnehmen. Martina Sabra berichtet

Von Martina Sabra

Irakische Christin in einer Kirche in Bagdad; Foto: AP
Die UN haben die Europäische Union aufgerufen, genau wie Deutschland in diesem Jahr verstärkt irakische Flüchtlinge aufzunehmen.

​​Iraks chaldäische Katholiken zählen zur größten christlichen Gemeinde im Zweistromland. In Deutschland leben derzeit schätzungsweise 6.000 Chaldäer, davon allein 1.000 im Großraum Essen in Nordrhein-Westfalen. Hier gibt es seit kurzem auch die erste offizielle chaldäisch-katholische Pfarrei mit einem eigenen Gotteshaus der "Kirche von Mar Adai und Mar Mari". Die meisten Iraker der chaldäisch-katholischen Gemeinde in Essen sind als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen oder haben im Irak hautnah Krieg und Unterdrückung erlebt - allen voran Priester Sami Danqa, der 2006 in Bagdad von Kriminellen entführt wurde und nach acht Tagen gegen Lösegeldzahlungen schließlich freikam.

Für die Gemeinde ist deshalb klar, dass man den irakischen Kontingentflüchtligen, die jetzt nach Deutschland kommen, so gut es geht helfen muss - übrigens ohne Ansehen der Religion. "Auch wenn Muslime im Irak Christen attackieren – als Christen halten wir es für unsere Pflicht, für alle da zu sein, die um Hilfe bitten", sagt Gemeinderatsvorsitzende Seyman Adem. Allerdings hätten sich bislang noch keine muslimischen Iraker in der Gemeinde gemeldet.

Direkte Hilfe in Fragen des Alltags

Irakische Flüchtlinge in Syrien; Foto: AP
Syrien und Jordanien sind mit den rund zwei Millionen Flüchtlingen aus dem Irak völlig überfordert.

Sana Hermez, Mutter von drei erwachsenen Söhnen ist als Familienhelferin der Essener Gemeinde zuständig für die Flüchtlingsbetreuung. Zwar wisse man noch nicht, wieviele Flüchtlinge tatsächlich kommen werden. "Aber alle hier werden ihren Beitrag leisten", sagt die 50jährige, die 2002 nach Deutschland floh, nachdem man ihren Mann im Gefängnis ermordet hatte. ​​"Wir helfen bei der Wohnungssuche und besorgen Dinge des täglichen Bedarfs, wie Kochgeschirr, Bettzeug oder auch warme Kleidung. Aber das Wichtigste sind nach meiner Erfahrung die ganzen Formalitäten und die Bürokratie, dass da jemand mitgeht und übersetzt."

Rund fünf Millionen Iraker haben ihre Heimat im Zuge der 1990 verhängten Sanktionen und infolge des Krieges 2003 verlassen. Schätzungsweise zwei Millionen sind in die Nachbarländer Syrien und Jordanien geflohen, wo sie oft unter elenden Bedingungen leben. Um die Lasten gerechter zu verteilen, gab es immer wieder Appelle an die westlichen Staaten, mehr irakische Flüchtlinge aufzunehmen und diesen auch eine Chance auf dauerhaften Aufenthalt zu bieten. Doch erst im Herbst 2007 begannen die USA mit der Aufnahme von Flüchtlingen. Im November 2008 beschloss dann auch die EU, insgesamt 10.000 Kontingentflüchtlinge aufzunehmen.

Besonders schutzwürdige Personen

Deutschland sagte inzwischen die Aufnahme von 2.500 Irak-Flüchtlingen zu – allerdings unter der Bedingung, dass es Menschen sind, die besonderen Schutz benötigen, da sie keine Chance auf eine baldige Rückkehr in ihre Heimat haben und die sich auf Dauer auch nicht in Jordanien oder Syrien integrieren lassen. Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen UNHCR hat gemeinsam mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlingsfragen in Jordanien und Syrien solche "besonders schutzwürdige" Menschen ausgewählt, darunter alleinstehende Mütter mit Kindern, von Gewalt bedrohte Mädchen und Frauen, aber auch Angehörige verfolgter religiöser Minderheiten wie zum Beispiel Yeziden. Mindestens die Hälfte der ausgewählten Flüchtlinge sollen nach bisherigen Informationen chaldäische Christen sein, die vor allem seit dem Irak-Krieg 2003 immer massiver verfolgt werden. Den chaldäischen Gemeinden in Deutschland – neben Essen sind das vor allem München und Stuttgart - kommt deshalb bei der Integration der Kontingent-Flüchtlinge eine wichtige Aufgabe zu.

Rudi Löffelsend, als Auslandsreferent der Caritas im Bistum Essen, zuständig für die Irak-Flüchtlinge, baut auf eine enge Zusammenarbeit: "Die irakischen Christen sind ja meist recht gebildet und entstammen der Mittelschicht", berichtet Löffelsend. "Das gilt auch für die in Essen lebenden chaldäischen Katholiken. Die meisten sind bestens integriert, sie haben Arbeit, manche haben ein Haus gebaut, die Kinder besuchen das Gymnasium. Diese Menschen sind in der Lage, ihr Leben in die Hand zu nehmen und damit sind sie natürlich auch wichtig - als Lotsen für die Neuankömmlinge."

Optimistische Einschätzung

Mit rund 540 so genannten Kontingentflüchtlingen aus dem Irak rechnet man in Nordrhein-Westfalen in den kommenden Monaten. Bis die Menschen tatsächlich im Ruhrgebiet eintreffen, dürfte allerdings noch etwas Zeit vergehen. Nach ihrer Ankunft kommen die Flüchtlinge zunächst in das ehemalige deutsch-deutsche Durchgangslager Friedland bei Göttingen. Einige Bundesländer wollen die Flüchtlinge von dort aus gemeinsam in einen dreimonatigen Integrationskurs schicken. In NRW hingegen sollen die Exiliraker sofort die Möglichkeit erhalten, sich ihren Wohnort selbst auszusuchen.

Damit das reibungslos funktioniert, hat die Caritas einen runden Tisch initiiert. Hier berät man gemeinsam mit den Bistümern Paderborn und Köln, wie den Flüchtlingen optimal geholfen werden kann, und man steht in Kontakt mit den Stadtverwaltungen und den irakischen Migrantenvereinen.

Rudi Löffelsend ist optimistisch, dass sich die Irak-Flüchtlinge gut integrieren werden. Nicht nur wegen der effizienten Vernetzung, sondern auch weil die Anzahl überschaubar sei: "Gerade mal 540 Flüchtlinge, in Nordrhein-Westfalen mit seinen 20 Millionen Einwohnern – das ist ja nur ein Windhauch, wenn man sieht, dass Hunderttausende Iraker Sicherheit und ein Perspektive brauchen."

Martina Sabra

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