Gegen Teheran kämpfen

Seit zweieinhalb Jahren sucht die Regierung von US-Präsident Donald Trump gezielt die Konfrontation mit dem Iran. Massiver und härter als beispielsweise gegenüber Russland, China oder Nordkorea. Von Richard N. Haass

Von Richard N. Haass

Die Vereinigten Staaten stiegen 2015 einseitig aus dem Atomabkommen, dem "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) aus, erklärten einen Zweig des iranischen Militärs zur ausländischen Terrororganisation (Irans Revolutionsgarden), verhängten Wirtschaftssanktionen gegen fast eintausend Einzelpersonen und Körperschaften und ergriffen Maßnahmen, die dem Iran die Vermarktung seines Öls mittlerweile extrem erschweren.

Die Kalkulation der US-Politik ist insofern aufgegangen, als dass die meisten Länder es nicht wagen, ihre Handels- und Finanzbeziehungen zu den USA wegen des Irans aufs Spiel zu setzen. Das gilt auch für Länder, die mit der Politik von Trump nicht einverstanden sind.

Die Ölexporte des Iran sind stark rückläufig. Das Land ist wirtschaftlich zunehmend isoliert. Die Wirtschaft schrumpfte 2018 um rund vier Prozent und soll in diesem Jahr um weitere sechs Prozent schrumpfen. Die Währung stürzt ab. Neben Berichten über Preissteigerungen und eine Verknappung von Nahrungsmitteln und Medikamenten werden offenbar auch die Finanzhilfen für die Hisbollah und diverse Milizen zurückgefahren, also für die Kräfte, die für die Einflussnahme des Iran auf die Region von zentraler Bedeutung sind.

Deutlich spürbarer Druck

Der Druck ist also deutlich spürbar. Doch welchem Zweck er dient, bleibt unklar. In der Regierung Trump gibt es offenbar viele, die einen Regimewechsel wollen. Das dürfte allerdings Wunschdenken bleiben. Vierzig Jahre nach der Revolution, die den Schah aus dem Land jagte, erscheinen das politisch-religiöse System und die Regierung des Iran stark genug, dem Druck der USA standzuhalten und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten durchzustehen.

Öltanker im Golf von Oman am 13. Juni 2019; Foto: picture-alliance/AP Photo/Tasnim News Agency
Who is playing with fire? Two oil tankers near the strategic Strait of Hormuz came under a suspected attack on 13 June 2019, setting one of them ablaze in the latest mysterious assault targeting vessels in a region crucial to global energy supplies amid heightened tension between Iran and the United States

Eher könnte es sein, dass der Wirtschaftskrieg der USA gegen den Iran zu einem tatsächlichen Krieg führt. Der Iran hat deutlich gemacht, dass er die Prügel nicht nur einstecken, sondern auch zurückzahlen wird. Mit ziemlicher Sicherheit war der Iran an den jüngsten Angriffen auf Öltanker im Golf von Oman beteiligt, ebenso wie an Drohnenangriffen auf einen saudischen Flughafen, die von Huthis aus dem Jemen ausgingen.

Die iranische Regierung hat außerdem angekündigt, sich schrittweise von den Verpflichtungen des Atomabkommens zu lösen. Nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Organisation fährt der Iran die Produktion von Kernbrennstoffen langsam hoch. Das Land scheint zudem entschlossen, die Urananreicherung in Richtung Waffenfähigkeit zu steigern. 

Dies alles erhöht das Risiko eines folgenschweren Konflikts zwischen dem Iran und einem oder mehreren seiner Nachbarn oder den USA. Ein solcher Konflikt würde mit ziemlicher Sicherheit ausufern und die USA, Israel und den Iran geschwächt zurücklassen.

Irgendwo zwischen einem kostspieligen Krieg und einem unwahrscheinlichen Regimewechsel liegt eine dritte Möglichkeit. Die würde von Trump allerdings diplomatisches Geschick erfordern. So wie er seinen Kurs mit Nordkorea änderte, könnte er auch mit dem Iran verfahren.

Berechtigte Kritik

Mit ihrer Kritik am Atomabkommen lag die Regierung Trump in vielen Punkten richtig. Das Abkommen beschnitt zwar die nuklearen Fähigkeiten des Iran und spielte bei der Entwicklung von Atomwaffen auf Zeit. Aber die vom Iran akzeptierten Selbstverpflichtungen waren relativ kurzlebig und wären in den nächsten zehn Jahren ausgelaufen.

Der Iran hätte dann an dem Abkommen weiter festhalten können, gleichzeitig aber ohne größeren Widerstand ein nukleares Inventar aufbauen können. Diese Schieflage rechtfertigt zwar nicht die Aufkündigung des Abkommens durch die USA, zumal der Iran seinen Verpflichtungen nachgekommen ist, aber vieles hat für Neuverhandlungen gesprochen.

Iranian flags flutter during an inauguration ceremony for new equipment and infrastructure on 25 February 2019 at the Shahid Beheshti Port in the south-eastern Iranian coastal city of Chabahar, on the Gulf of Oman (photo: Getty Images/AFP/A. Kenare)
As U.S. sanctions begin to bite: facing a host of challenges, Iran is looking to an isolated port in the country's far southeast to maintain the flow of goods. The port in Chabahar, only about 100 kilometres from the Pakistan border and located on the Indian Ocean, is Iran's largest outside the Gulf. It is also the only Iranian port with exemptions from unilateral economic sanctions re-imposed by the United States in 2018

Diese Möglichkeit besteht immer noch. Trotz der jüngst gescheiterten Vermittlungsversuche des japanischen Premierministers Shinzo Abe haben sich die Aussichten auf eine diplomatische Lösung verbessert, auch weil die Sanktionen wirken. Die Regierung Trump hat ihre Bereitschaft erklärt, ohne Vorbedingungen mit der iranischen Regierung zu sprechen. Der Iran lehnt solche Gespräche zwar bisher ab, doch das könnte sich ändern, falls die USA mögliche Lockerungen der Sanktionen ins Spiel bringen.

Ein JCPOA 2.0?

Die Zeit ist reif für eine solche diplomatische Initiative. JCPOA 2.0 könnte das Ziel sein. Die Verpflichtungen zur Beschränkung seiner nuklearen Aktivitäten – vor allem den Betrieb der Zentrifugen und die Herstellung von Kernbrennstoffen – könnten auf lange Zeit festgeschrieben werden. Ein überarbeitetes Atomabkommen könnte auch das Raketenprogramm des Iran einschränken.

Im Gegenzug würden viele Sanktionen aufgehoben. Die USA könnten auch auf Trumps Aussage aufbauen, er strebe einen Politikwechsel an, keinen Regimewechsel. Die Chancen stehen gut, dass auch die europäischen Partner des ursprünglichen Abkommens, also Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die Europäische Union insgesamt, eine solche Strategie unterstützen werden. Die Ratifizierung eines überarbeiteten Abkommens durch den US-Kongress würde bedeuten, dass die USA nicht ein zweites Mal einseitig aussteigen.

Angesichts der iranischen Aktivitäten in der Region würden und sollten jedoch einige Sanktionen in Kraft bleiben. Selbstverständlich könnte man in Verhandlungen grundsätzlich die Aufhebung aller Sanktionen anbieten. Im Gegenzug müsste der Iran alle Aktivitäten in Syrien und im Jemen beenden, keine terroristischen Gruppen mehr unterstützen und liberale politische Reformen im eigenen Land umsetzen.

Keine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen

Doch das wäre illusorisch. Eine Diplomatie nach dem Prinzip „alles oder nichts“ führt zu nichts. Wie bei der Rüstungskontrolle zwischen den USA und der Sowjetunion während des Kalten Krieges ist es manchmal schon ein Erfolg, den Wettlauf einzudämmen, ohne ihn vollständig beenden zu können.

Das bedeutet nicht, dass der Iran in der Region freie Hand erhielte. Israel wird vermutlich weiterhin gezielte militärische Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass der Iran keine militärische Präsenz und Infrastruktur in Syrien nahe der Grenze zu Israel aufbauen kann so wie im Libanon. Und die USA sollten eine verstärkte militärische Präsenz im oder in Nähe des Persischen Golfs zeigen, Truppen in Syrien halten und im Irak diplomatisch und militärisch präsent bleiben.

Die Verabschiedung von JCPOA 2.0 würde nicht zu einer Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zum Iran führen. Aber sie würde die Wahrscheinlichkeit eines Krieges oder die Entwicklung des Iran zur Atommacht drastisch verringern, eine Entwicklung, die Saudi-Arabien und mehrere andere Länder dazu veranlassen könnte, dem Beispiel Irans zu folgen. Der Nahe Osten ist bereits gefährlich genug. Angesichts der dortigen Gemengelage sollte man keine weiteren Risiken provozieren, deren Folgen niemand absehen kann.

Richard N. Haass

© Project Syndicate 2019

Aus dem Englischen von Peter Lammers