Khashoggis Mörder müssen verurteilt werden!

Schockierend am Khashoggi-Mord ist die Tatsache, dass die saudische Führung sehr genau wusste, dass sie damit straffrei davonkommen würde, meint Leon Willems in seinem Essay.

Von Leon Willems

Die Details des brutalen, vorsätzlichen Mordes an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi sind frappierend. Zunächst einmal der Ort seiner Ermordung: nicht irgendeine dunkle Gasse, sondern im Konsulat seines Landes in Istanbul. Dann die mutmaßlichen Täter: Ein 15-köpfiges Team, zu dem ein Gerichtsmediziner gehörte, der früher in Australien tätig war und eine Knochensäge mitbrachte, und ein Doppelgänger, der Khashoggis Kleidung anzog – die noch warm gewesen sein dürfte – und beiläufig aus der Hintertür schlüpfte.

Aktuelle Zahlen der UNESCO, der Organisation der Vereinten Nationen, die unter anderem die Aufgabe hat, sich für die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten auf der ganzen Welt einzusetzen, zeigen, dass Täter in neun von zehn Fällen nicht für die Ermordung eines Journalisten bestraft werden. Da Straffreiheit die Regel ist und die Folgen, selbst wenn der Mord ans Licht käme, gering wären, gingen die saudischen Behörden das Risiko ein.

Lasche Reaktionen der internationalen Gemeinschaft

Und sie hatten Recht: Zwar fordern Strafverfolger in Saudi-Arabien für fünf der Verdächtigen die Todesstrafe, aber die internationale Reaktion ist bisher lasch ausgefallen.

Trotz der weltweiten Aufmerksamkeit, die der Mord erregt hat, haben die meisten Staats- und Regierungschefs lediglich versprochen, Sanktionen gegen Saudi-Arabien "in Betracht zu ziehen"; andere haben den Gedanken gleich verworfen.

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman zusammen mit US-Präsident Donald Trump auf dem G-20-Gipfel in Buenos Aires, Argentinien; Foto: picture alliance/AP/R. Mazalan
Achse Riad-Washington: US-Präsident Donald Trump steht ungeachtet der vom eigenen Geheimdienst CIA erhobenen Vorwürfe der Verwicklung in den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi zum saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. "Er ist der Anführer von Saudi-Arabien", sagte Trump. Das Land sei "ein sehr guter Verbündeter".

So erklärte etwa US-Präsident Donald Trump, dass die offizielle saudische Erklärung zwar unbefriedigend sei, er aber nicht die Absicht habe, mit einer Einschränkung der Waffenverkäufe oder des Handels zu reagieren. Politische Entscheidungsträger in Frankreich und Spanien haben sich ähnlich geäußert.

Diese Unverblümtheit verdeutlicht, dass wirtschaftliche Interessen, wenn diese in Konkurrenz zu Menschenrechten stehen, stets Vorrang haben. Es ist nicht nur der Verlust des Lebens eines Journalisten zu beklagen, sondern auch die Erosion der bürgerlichen Freiheiten und der Meinungsfreiheit – vor allem im Nahen Osten.

Im Schlepptau des saudischen Kronprinzen

Wie das Komitee zum Schutz von Journalisten vergangenen Monat berichtete, gaben drei der engsten regionalen Verbündeten Saudi-Arabiens – die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Bahrain – Erklärungen ab, in denen sie sich hinter die Stellungnahme des Königreichs zur Ermordung Khashoggis stellen. Auch lokale saudische und panarabische Medien ordneten sich dieser Lesart unter, während eine Armee von Online-Trollen sich schnell daran machte, die Herrscher des Königreichs zu verteidigen und seine Kritiker zu verunglimpfen.

Diese Art von Schönfärberei ist nicht auf den Fall Khashoggi beschränkt. Noch schwieriger ist es, in den arabischen Mainstream-Medien ernsthafte Kritik an dem von Saudi-Arabien angeführten Krieg im Jemen zu finden. Trotz Zehntausender Toter und einer verheerenden Hungersnot, der Millionen weitere Menschen zum Opfer fallen könnten, äußern sich die Nachrichtenagenturen in der Region so gut wie nie zur Rolle des interventionistischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

Wenn es der internationalen Gemeinschaft wirklich wichtig ist, die Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und die demokratischen Werte zu verteidigen, muss sie die Brutalität Saudi-Arabiens öffentlich anprangern. Eines der mächtigsten Länder des Nahen Ostens ist unmittelbar für zahlreiche Tote, Zerstörung und Elend verantwortlich. Und doch nehmen die westlichen Länder diese Aktivitäten nicht nur stillschweigend hin; in einigen Fällen ermöglichen sie diese aktiv, indem sie die Waffen liefern.

Proteste gegen den Besuch von Kronprinz  Mohammed bin Salman in Tunis am 27. November 2018; Foto: Reuters/Z. Souissi
Despoten nicht willkommen: Mehrere hundert Menschen hatten Ende November in Tunesien gegen den Besuch des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman protestiert. In Sprechchören kritisierten die Demonstranten den Gast als "Mörder" und forderten seine Verurteilung wegen seiner Rolle bei der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul. "Du bist hier nicht willkommen", war auf Schildern bei der Kundgebung zu lesen.

Wem ist wirklich damit gedient, wenn Saudi-Arabien ein strategischer Verbündeter des Westens ist? Sicherlich nicht der marginalisierten Bevölkerung von Jemen, Bahrain und Syrien. Und auch niemandem, der sich mit Menschenrechten, der Gleichberechtigung der Geschlechter und vielen anderen Werten beschäftigt, auf die sich westliche Staats- und Regierungschefs berufen.

Notwendige Bestrafung der Täter

Man kann die Bedeutung von Journalisten wie Jamal Khashoggi für ein Land wie Saudi-Arabien gar nicht überbewerten. Ohne diese Menschen, die Fakten an die Öffentlichkeit bringen, würde die institutionelle und politische Korruption nie in Frage gestellt werden. Deshalb darf die Ermordung eines Journalisten im Ausland durch saudische Beamte nicht ungestraft bleiben; Regierungen müssen ihr Bündnis mit dem Königreich dringend überdenken. Eine einfache Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen ohne bedeutende Sanktionen wird sein Verhalten nicht verändern.

Darüber hinaus muss die internationale Gemeinschaft aufhören, die Verantwortung für die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung der Ermordung von Journalisten an die Regierungen zu delegieren, die deren Tod wollten. In den meisten Fällen ist der Rechtsstaat zu schwach, und die Hinrichtungen wurden von eben denen angeordnet, die das Sagen haben.

Vielleicht wird der Gerechtigkeit im Fall Khashoggi nie Genüge getan, aber seine Ermordung darf nicht ohne Wirkung bleiben. Regierungen, die Wert auf Transparenz und freie Meinungsäußerung legen, müssen zusammenarbeiten, um einen internationalen Gerichtshof zu errichten, der Fälle von ermordeten Journalisten in Ländern strafrechtlich verfolgt, die dies selbst nicht können oder wollen. Die Alternative – anhaltende Straffreiheit – wird Kriminelle ungeschoren davonkommen lassen und genau die Werte untergraben, die der Journalismus verteidigen soll.

Leon Willems

© Project Syndicate 2018

Leon Willems ist Direktor von Free Press Unlimited aus Amsterdam.