"Wir können nicht für immer kämpfen"

“Wir müssen zuhören und versuchen die andere Seite zu verstehen, um eines Tages friedlich zusammenleben zu können“, sagt die 17-jährige Neta Morry aus Israel. Sie schreibt für “Crossing Borders“, ein israelisch-palästinensisches Magazin, das Jugendliche zueinander führen will. Von Alfhild Böhringer

"Wir müssen zuhören und versuchen die andere Seite zu verstehen, um eines Tages friedlich zusammenleben zu können", sagt die 17-jährige Neta Morry aus Israel. Sie schreibt für "Crossing Borders", ein israelisch-palästinensisches Magazin, das Jugendliche zueinander führen will. Von Alfhild Böhringer

Israelischer Soldat blickt auf Ramallah, Foto: AP
Israelischer Soldat blickt auf Ramallah

​​Einundzwanzig der ausschließlich jugendlichen Redakteur/innen kamen nun auf Einladung von "Bild am Sonntag" nach Berlin, um hier eine "Crossing Borders"-Ausgabe zu erstellen. Sie schrieben zusammen Artikel und erörterten politische Themen aller Art. "Es sind oft sehr schwierige Diskussionen, es geht um unsere Gefühle in diesem Konflikt, um unseren Alltag", sagt Marianna Khourby aus dem arabischen Teil Israels.

Erst letzte Woche wurden ihr bei einer Polizeikontrolle die Schuhe weggenommen und sie musste barfuß nach Hause laufen. Nun schreibt sie trotz alledem mit jungen Israelis zusammen Artikel. "Diese Diskussionen sind wichtig", sagt sie. So lernen die Jugendlichen die Sichtweise des anderen besser zu verstehen. "Man diskutiert mit einer Person von Angesicht zu Angesicht, das ist der Vorteil", sagt Neta aus Israel. Doch ob diese Gespräche letztendlich etwas verändern, bleibt fraglich.

Mauergespräche in der ehemaligen Mauerstadt

"Meine Meinung hat sich nicht verändert", sagt Neta ganz offen. "Ich bin zwar flexibler in meiner Sichtweise geworden und offener, doch ich halte den Mauerbau in Israel weiterhin für ein sinnvolles Projekt."

Das sehen die anwesenden Araber natürlich völlig anders. Die Mauer, die Israel an der Grenze zum Westjordanland errichtet, war - auch in Anbetracht des Veranstaltungsortes Berlin - das mit am meisten diskutierte Thema. "Das ist eine Menschenrechtsverletzung", stellt Amani Saba aus Ramallah fest. Die Israelin Vered Ohayon aber fühlt sich nun weitaus sicherer.

Ein Konsens kommt bei all diesen Diskussionen nicht zustande. Zwar scheut man sich nicht, über brisante Themen offen zu reden, doch Lösungsansätze für den Konflikt werden nicht gefunden. Es scheint schon oft schwer genug, sich mit dem so genannten "Feind" intensiv auseinander zu setzen.

Das Problem sind die verschiedenen Hintergründe der Jugendlichen, die sie vor allem emotional stark geprägt haben. Doch so groß der Unterschied zwischen den Meinungen auch sein mag, darin sind sich die Jugendlichen einig: "Wir sind alle Freunde."

Schädliche Routinen

Jeder versucht den anderen zu verstehen. "Früher waren mir die Opfer von Bombenattentaten egal, jetzt verstehe ich auch die Israelis", sagt die 17-jährige Sarah Fanous aus Jordanien, deren Großeltern 1984 aus Israel emigrierten.

Vor allem die Kommunikation scheint das erste große Hindernis im Friedensprozess. So erzählt Rawya Aburmaileh aus Jerusalem: "Gegenüber meiner Wohnung leben nur Juden, aber gesprochen habe ich noch nie mit ihnen." Sie findet das eigenartig - aber es ist inzwischen ein Stück Normalität geworden. So normal wie tägliche Bombenanschläge, schikanierende Polizeikontrollen und eine Mauer mitten durch das "geheiligte Land".

Das Zeitungsprojekt "Crossing Borders" versucht, eine hoffnungsvollere Zukunft für diese Jugendlichen aufzubauen. "Wir wollen den Dialog fördern", sagt Shimon Malka, einer der Koordinatoren, "die Teilnehmer hier freunden sich miteinander an, das zeigt, dass sie so verschieden nicht sind, bisher haben wir ausschließlich positive Resonanz von den Jugendlichen erhalten."

Bisher hatten circa 250 Jugendliche die Möglichkeit, an dem seit vier Jahren existierenden Projekt teilzunehmen. Die Zeitung, die in Israel alle zwei Wochen erscheint, erreicht jedoch weitaus mehr Menschen.

10.000 Ausgaben liegen in Schulen, Gemeindezentren und Jugendklubs aus. Inzwischen ist der Zulauf vor allem bei den arabischen Jugendlichen so groß, dass viele abgelehnt werden müssen. Es scheint ein Anfang zu sein in einem schwierigen und langen Friedensprozess.

"Die Geschichte hat gezeigt, dass jeder Krieg einmal zu Ende geht", sagt Neta. Wie, dass scheint keine/r der Jugendlichen so genau zu wissen.

Alfhild Böhringer

© fluter.de 2004

Alfhild Böhringer ist 17. Sie engagiert sich in der Jungen Presse Berlin und ist Vorstand eines Jugendparlamentes im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf.

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