Chinas Umgang mit den Uiguren
Und es gibt die Lager doch

Lange hat Peking bestritten, Muslime in der Region Xinjiang in Umerziehungslagern zu internieren. Jetzt gibt die Regierung zu, dass dort Tausende Uiguren festgehalten werden – mit einer abenteuerlichen Begründung. Von Friederike Böge

Monatelang hatte die chinesische Regierung die Existenz von Umerziehungslagern für Muslime in der Region Xinjiang geleugnet. Nun gibt sie zu: Es gibt die Lager doch. Und nicht nur das. Im Rahmen einer koordinierten Propagandakampagne behauptet die Regierung nun, es handle sich gleichsam um vorbildliche Institutionen im internationalen Kampf gegen den Terrorismus. Nur vorzeigen, sie also internationalen Beobachtern zugänglich machen, das will China dann doch lieber nicht.

Laut der neuen Sprachregelung sind die unzähligen Muslime, die zum Teil seit eineinhalb Jahren ohne richterlichen Beschluss hinter Mauern und Stacheldraht festgehalten werden, Nutznießer eines „kostenlosen Berufsbildungsprogramms“.

Der Regierungschef und stellvertretende Parteichef von Xinjiang, Shokrat Zakir, hat das „Programm“ in dieser Woche in den höchsten Tönen gelobt und als erster Regierungsvertreter detailliert dazu Stellung genommen.

Vorwurf Gehirnwäsche

Damit reagiert Peking auf den von Menschenrechtlern erhobenen Vorwurf, dass in Xinjiang bis zu eine Million Muslime interniert sind, um sie per Gehirnwäsche ihrer religiösen und ethnischen Identität zu berauben und so in die chinesische Mehrheitsgesellschaft zu assimilieren.

Bei Zakir klingt das freilich anders: „Viele der Auszubildenden waren beeinträchtigt durch religiöses extremistisches Gedankengut und unterstellten ihr Handeln einer ,Religionsdisziplin‘ oder ,Familiendisziplin‘, die von Extremisten deformiert war. Nun haben viele Auszubildende erkannt, dass sie zuallererst Bürger der Nation sind.“ So schildert es der lokale Regierungsvorsitzende, der selbst der Minderheit der Uiguren angehört, gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua.

Dank des Fortbildungsprogramms seien die „Auszubildenden“ nun in der Lage, ihre „Fehler“ zu erkennen. Worin die bestehen, sagt Zakir nicht. Er behauptet, sie hätten sich „geringfügiger Straftaten im Rahmen von Terror- oder Extremismusaktivitäten“ schuldig gemacht. Nach Berichten von Human Rights Watch und Amnesty International reichen aber schon Kontakte zu Freunden und Verwandten im Ausland oder regelmäßiges Beten aus, um interniert zu werden.

Als weitere Rechtfertigung für das aufgezwungene „Bildungsprogramm“ in schwer bewachten Lagern nennt Zakir die fehlenden Sprachkenntnisse vieler mehrheitlich uigurischer Bewohner im Süden Xinjiangs und ihre mangelnden Qualifikationen für den Arbeitsmarkt. Deshalb gebe es neben Sprachunterricht auch Kurse in Textil- und Nahrungsproduktion, Elektrotechnik, Friseurhandwerk und im Online-Handel.

Den Aufenthalt in den Umerziehungslagern beschreibt Zakir als komfortabel. Die „Auszubildenden“ erhielten kostenlose Mahlzeiten, die in Cafeterien nach ihren religiösen Vorschriften zubereitet würden. Die Schlafsäle seien mit Radio, Fernsehen, Klimaanlagen und Duschen ausgestattet. Es gebe Sportstätten für Tischtennis und Basketball sowie Tanz- und Gesangswettbewerbe. Auch werde viel Aufmerksamkeit auf die mentale Gesundheit der „Auszubildenden“ gelegt.

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