Saudi-Arabiens Ölkonzern Aramco: Größter Börsengang der Welt? Viele Fragen und ein wackelndes Datum

An diesem Projekt hängt die Zukunft einer ganzen Wirtschaftsnation: Saudi-Arabien will den Ölkonzern Aramco an die Börse bringen – und sagenhafte 100 Milliarden Dollar einnehmen. Doch ein Jahr vor dem avisierten Starttermin hakt es. Von Benno Schwinghammer

Der Mann, den alle nur «MbS» nennen, beharrt darauf: Es läuft alles nach Plan. Es ist Mohammed bin Salman, Kronprinz und faktisch der mächtigste Mann in Saudi-Arabien. Er spricht über den Börsengang des Ölgiganten Saudi-Aramco, mit angepeilten 100 Milliarden Dollar (85 Mrd Euro) wäre es der größte der Welt. Und da im absolutistischen Königreich alles miteinander zusammenhängt, geht es dabei um mehr als nur einen Haufen Geld. Der Börsengang spielt eine Schlüsselrolle für den Umbau der saudi-arabischen Wirtschaft.

Noch im Jahr 2018 sollen Anteile verkauft werden, so will es «MbS». Doch bei dem Megaprojekt sind immer noch viele Fragen offen. Die Gerüchteküche brodelt. Und die Welt um Saudi-Arabien verändert sich. Denn das Zeitalter des Öls geht zu Ende. Marken wie Tesla sind cool, große Autobauer wollen weg vom Verbrennungsmotor. Obwohl sich der Wandel lange angedeutet hatte, ruhten sich die Saudis jahrzehntelang auf einem Billionenberg von Öleinnahmen aus. Bis sie 2016 die «Vision 2030» vorstellten, um das Land unabhängiger vom Öl zu machen.

Saudi-Arabien soll ein moderner Wirtschaftsstandort werden, seinen Markt für ausländische Investoren öffnen und auf neue Technologien setzen. Das kostet viel Geld. Der Investmentfond, mit dem auch die Zukunftsstadt «Neom» im Nordwesten des Landes aufgebaut werden soll, soll umgerechnet etwa 1,7 Billionen Euro Umfang erreichen – das entspricht etwa der Wirtschaftsleistung von Italien.

Das ist selbst für eines der reichsten Länder der Welt eine Hausnummer. Auch deshalb ist der Börsengang von Saudi Aramco ein Grundpfeiler der «Vision 2030». Er soll so viel Geld in die Kasse spülen, dass Riad in andere Wirtschaftszweige investieren kann. Anfang 2016 hatte das Königreich angekündigt, fünf Prozent seiner nationalen Ölfirma verkaufen zu wollen und damit international Aufsehen erregt. Der Thronfolger taxierte die Staatsfirma auf einen Wert von zwei Billionen Dollar. Oliver Oehms, der Geschäftsführer der Deutschen Außenhandelskammer in Riad, sagt: «Mohammed bin Salman hat den Börsengang zur «Chefsache» gemacht, als eines seiner Schlüsselprojekte.» Dementsprechend hoch ist aber auch die Fallhöhe.

Mit der eingeplanten Summe von 100 Milliarden Dollar wäre der Börsengang von Saudi-Aramco viermal so teuer wie der bislang größte Anteilsverkauf, jener des chinesischen Internetkonzerns Alibaba 2014. Nicht genug, dass das Projekt Aramco schon angesichts des Volumens schwierig ist. Obendrein prallen Welten zwischen den Wirtschaftssystemen aufeinander. Denn die Aramco-Aktien sollen nicht nur an der Tadawul, der Börse in Riad, sondern auch international verkauft werden. New York, London, Hongkong und Tokio werden genannt.

Die Scheichs in der Wüste stecken dabei in einem Dilemma: Sie wollen das finanzielle Potenzial der Wall Street, aber zugleich die laxere Regulierung von Hongkong. Bislang gibt es noch keine Entscheidung, an welchen Börsen die Aramco-Papiere gehandelt werden sollen. Der Starttermin 2018 wackelt angesichts der nötigen Zeit für die Vorbereitung jedoch bedenklich.

Eine Notlösung wäre der alleinige Verkauf an der Börse in Riad. Dies hatte Finanzminister Mohammed al-Dschadaan kürzlich in der «Financial Times» nicht mehr ausgeschlossen: «Wir haben öffentlich gesagt, dass der Gang an (die staatliche Börse) Tadawul sicher ist», sagte er. Da war der internationale Börsengang plötzlich nur eine Möglichkeit. Und zwar eine, die auch außerhalb der Börse stattfinden könnte: Ein Privatverkauf. Angeblich soll es in China einen kaufkräftigen Interessenten geben.

Ob Saudi-Arabien aber 100 Milliarden für fünf Prozent der Anteile erhält, ist fraglich. Der Firmenwert wird außerhalb des Königreichs nur von wenigen auf zwei Billionen Dollar geschätzt.

Wenn der Börsengang scheitert, wirkt sich das direkt auf den Erfolg der «Vision 2030» aus - und damit auf die Zukunft der einflussreichen Regionalmacht. «Der Börsengang von Aramco ist ein ganz wichtiger Baustein der Diversifizierung des Landes. Darauf zu verzichten, würde einen Teil des Fundamentes dieser Modernisierung unterhöhlen», sagt Außenhandelsexperte Oehms.

Auch politisch hätte ein Fehlschlag Folgen: Thronfolger Mohammed, den einige Beobachter schon bald als König sehen, hat seinen Namen eng mit dem Projekt verknüpft. Eine Kettenreaktion könnte so die Reputation des kommenden absoluten Herrschers in Mitleidenschaft ziehen. Keine gute Ausgangsposition für einen König. (dpa)