Parlamentswahl im Irak: der schiitische Geistliche Muktada al-Sadr auf Siegeskurs

Bei der Parlamentswahl im Irak wird ein Sieg des einflussreichen schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr immer wahrscheinlicher. Seine Liste Sairun liegt nach vorläufigen Ergebnissen in sechs von 16 ausgezählten Provinzen in Führung, wie die Wahlkommission in Bagdad am Montagabend mitteilte.

Der 44 Jahre alte Al-Sadr, Sohn eines hohen schiitischen Geistlichen, gilt als kontroverse Figur. Nachdem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein im Jahr 2003 bekämpfte seine Mahdi-Armee die US-Besatzungstruppen mit Gewalt. Seine Miliz war auch gegen den IS im Einsatz.

In den vergangenen Jahren wandelte er sich zu einem der schärfsten Kritiker des politischen Establishments. Im Wahlkampf versprach der Geistliche die Bekämpfung der Korruption, und er setzte auf soziale Themen. Für die Wahl ging er ein Bündnis mit den Kommunisten ein. Al-Sadr kann nicht Ministerpräsident werden, da er nicht für das Parlament kandidiert hat. Für eine Regierung wird seine Liste Koalitionspartner brauchen.

Auf Platz zwei folgt ein Bündnis, das den schiitischen Milizen nahesteht und enge Beziehungen zum benachbarten Iran hat. Für Ministerpräsident Haider al-Abadi zeichnet sich hingegen eine Niederlage ab. Seine «Koalition des Sieges» kommt bislang nur in einer Provinz auf den ersten Platz.

Aus zwei Provinzen wurden noch keine offiziellen Ergebnisse verkündet. Auch die Verteilung der 329 Sitze im Parlament steht noch nicht fest. Die Iraker hatten am Samstag erstmals seit dem Sieg gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ein neues Parlament gewählt. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 44,5 Prozent ein historisches Tief. Beobachter machten dafür eine weit verbreitete Politikverdrossenheit verantwortlich.

Dagegen kann Al-Sadr auf eine treue Anhängerschaft vor allem aus den Armenvierteln des Landes zählen. Vor zwei Jahren stürmten Gefolgsleute Al-Sadrs das Parlament in der schwer geschützten Grünen Zone in Zentrum der Hauptstadt.  Am Montag kündigte er an, eine Regierung aus Technokraten bilden und Reformen umsetzen zu wollen. «Wir bauen eine neue Generation», erklärte er. Al-Sadr wehrt sich auch gegen Irans starken Einfluss auf die Politik im Irak. Dieser ist nicht zuletzt das Ergebnis der US-Intervention von 2003. Der Iran nutzte das Sicherheitsvakuum aus. 

Al-Abadi gratulierte allen erfolgreichen politischen Listen in einer TV-Ansprache und rief zur parteiübergreifenden Zusammenarbeit auf: Er betonte seine Bereitschaft, «eine möglichst starke Regierung zu bilden, die frei von Korruption ist und keiner ausländischen Agenda gehorcht». Er werde das Land weiterführen, bis eine neue Regierung gebildet sei. Die Liste von Al-Sadr liegt insbesondere in Bagdad deutlich vorn. In der Hauptstadt wird mit Abstand die größte Zahl an Sitzen im Parlament vergeben.

Die eng mit den Schiitenmilizen verbundene Liste des Politikers Hadi al-Amiri kommt bislang in vier Provinzen auf Platz eins, darunter in der Großstadt Basra im Süden des Iraks. Die Milizen gelten als verlängerter Arm des Irans. Al-Abadi hatte im Wahlkampf mit dem Sieg gegen den IS unter seiner Führung geworben. Der 66-Jährige versprach zudem, sich für einen Ausgleich zwischen der Mehrheit der Schiiten und der Minderheit der Sunniten einzusetzen. Viele Sunniten fühlen sich diskriminiert. Der Regierungschef ist seit fast vier Jahren im Amt.

Al-Abadi hatte im Dezember den militärischen Sieg über den IS erklärt. Große Teile des Iraks sind zerstört. Der Wiederaufbau kommt nur langsam voran. Der Weltbank zufolge werden dafür in den nächsten Jahren rund 88 Milliarden Dollar (rund 71 Milliarden Euro) benötigt. Nach UN-Angaben sind zudem noch immer mehr als zwei Millionen Menschen im Land vertrieben. Auch IS-Zellen sind weiterhin aktiv. (dpa)