Land unter in Pakistan: Verzweifelte Flucht vor der nächsten Flut

Politiker sprechen von einer Katastrophe epischen Ausmaßes: Ein Drittel Pakistans steht unter Wasser, Millionen Menschen sind in Lebensgefahr, ohne Obdach und Nahrung. Und die Lage könnte sich bald noch weiter verschlechtern. Von Zia Khan und Juliane Rodust, dpa

Islamabad. In einem verzweifelten Wettlauf mit der Zeit haben Rettungskräfte im Süden Pakistans versucht, Millionen von Menschen vor drohenden Fluten in Sicherheit zu bringen. Die Provinz Sindh muss sich laut Behörden auf weitere Wassermassen gefasst machen, die den Fluss Indus aus dem Norden des Landes herabströmten. Wassermengen von fast 20 000 Kubikmetern pro Sekunde würden in Kürze große Städte in Sindh erreichen, warnte die Katastrophenschutzbehörde am Freitag.



Zudem halten die Regenfälle mancherorts an. In Pakistan haben die zerstörerischen Überschwemmungen seit Mitte Juni bereits mehr als 1200 Menschen das Leben gekostet. Im dem Land mit rund 220 Millionen Einwohnern sind nach Regierungsangaben mehr als 33 Millionen Menschen in drei der vier Provinzen betroffen. Im deutschen Entwicklungsministerium laufen derzeit Vorbereitungen für eine Unterstützung Pakistans im Millionen-Bereich, hieß es am Freitag. Demnach haben Ministeriumsvertreter bereits mit den pakistanischen Regierungsstellen Kontakt aufgenommen, um abzuklären, in welchen Bereichen wie geholfen werden kann.



In dem südasiatischen Land ist Monsunsaison, Niederschläge dieses Ausmaßes gab es allerdings seit Jahrzehnten nicht. UN-Angaben zufolge war der Monsunregen dreimal so stark wie im Durchschnitt vergangener Jahre. Behausungen und Habseligkeiten wurden innerhalb von Minuten von den Fluten mitgerissen. Weil viele Brücken und auch Tausende Kilometer Straßen zerstört oder beschädigt wurden, war die Verteilung von Hilfsgütern schwierig.



In der Süd-Provinz Sindh war der Indus, der im Himalaya entspringt und im Arabischen Meer mündet und dabei die Region durchfließt, in der vergangenen Woche über die Ufer getreten. Tausende Soldaten, Rettungskräfte und Freiwillige waren am Freitag teils mit Booten und Hubschraubern zur Rettung von Einwohnern im Einsatz.



«Es ist ein Wettlauf mit der Zeit», beschrieb der Provinzregierungssprecher Murtaza Wahab die Evakuierungsbemühungen. Fernsehaufnahmen zeigten Menschen auf Dächern, die Rettungskräfte versuchten heranzuwinken. Andere wateten auf der Suche nach festem Boden durch hüfthohes Wasser. «Wir versuchen, die Menschen zu erreichen, die ohne Nahrung und Unterkunft noch mitten im Wasser sind», sagte Rustam Jamali, ein Helfer aus der Stadt Dadu.



Derweil harrten im Norden Pakistans, wo selbst eine Woche nach Ende der letzten Regenfälle noch Orte überschwemmt sind, ebenfalls Tausende ohne Nahrung und Unterkunft aus. «Es ist so, als ob wir Flüchtlinge in unseren eigenen Dörfern sind. Wir können nicht ein paar Hundert Meter weiter nach Hause gehen», sagte ein Anwohner aus der Gemeinde Swat.



Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef sind 16 Millionen Kinder in Not. 18 000 Schulen sind UN-Angaben zufolge landesweit zerstört oder beschädigt worden. Viele der 72 am schwersten betroffenen Distrikte hätten schon vor der Katastrophe zu den ärmsten im Land gehört, sagte der Unicef-Vertreter für Pakistan, Abdullah Fadil, 40 Prozent der Kinder dort seien in ihrer Entwicklung zurückgeblieben.



«Viele sind in besonderer Gefahr, ohne Dach über dem Kopf, ohne Schule und ohne sauberes Trinkwasser.» Unicef habe begonnen, sichere Räume für Minderjährige einzurichten, damit sie nicht missbraucht und ausgenutzt werden und in den Schutzzentren ihre Erfahrungen mit ausgebildetem Personal verarbeiten könnten.



Mindestens ein Drittel Pakistans stehe seit Wochen unter Wasser, sagte Klimaschutzministerin Sherry Rehman. Sie bezeichnete die Fluten als klimabedingte Katastrophe epischen Ausmaßes und existenzielle Bedrohung für Pakistan. Laut Planungsminister Ahsan Iqbal ruinierten die Überschwemmungen bereits 45 Prozent der Ackerfläche des Landes.



Durch das stehende Wasser ergeben sich zudem gesundheitliche Probleme für die Menschen - Erkrankungen wie Durchfall, Augenentzündungen oder Hautausschläge. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fürchtete auch die Ausbreitung von Krankheiten wie Cholera, Dengue-Fieber und Malaria. Hilfsorganisationen warnen, dass durch das Fehlen sicherer

Unterkünfte, Hygieneprodukte oder Toiletten vor allem für Frauen die Gefahr von Krankheiten und auch sexueller Gewalt steige. (dpa)