Großscheich: "Islamisches Denken" ist reformierbar - Islam nicht

Scheich Ahmad Mohammad al-Tayyeb, eine der höchsten Autoritäten des weltweiten sunnitischen Islams, sieht Forderungen nach einer Reform des Islams kritisch. «Das islamische Denken kann man reformieren, aber nicht den Islam selbst», sagte der Geistliche aus Ägypten im «Interview der Woche» des Deutschlandfunks. Dieser Unterschied gelte auch für die anderen Religionen.

Er wolle niemanden ermutigen zu sagen, dass ein religiöser Text verwerflich sei und ignoriert oder weggestrichen werden solle: «Das widerspräche der Hochachtung vor dem Wert des religiösen Textes», sagte al-Tayyeb, der seit 2010 Groß-Imam der Kairoer Al-Azhar-Universität ist. Den religiösen Diskurs hingegen «sollen wir reformieren und erneuern.» Die religiösen Gelehrten müssten die Realität verstehen und zugleich die religiösen Texte kennen, unterstrich al-Tayyeb, der am Freitag beim evangelischen Kirchentag in Berlin zu Gast war.

Der Einfluss der Groß-Imame der im 10. Jahrhundert gegründeten Al-Azhar reicht weit über die 80 Millionen Sunniten in Ägypten hinaus. Nach Schätzungen sind 85 bis 90 Prozent der weltweit rund 1,6 Milliarden Muslime Sunniten. Al-Tayyeb gilt als moderat und sieht es als seine Aufgabe, die tolerante Seite des Islams zu präsentieren. Er fordert Respekt gegenüber Nicht-Muslimen.

In Ägypten gibt es immer wieder Attacken radikaler Islamisten auf die christliche Minderheit. Erst am Freitag wurden bei einem Angriff auf Kopten mindestens 29 Menschen getötet. Mit Blick auf die Anschläge sagte Al-Tayyeb: «Wir sind überzeugt, dass dafür weder die Muslime, noch die Christen, noch der ägyptische Islam, noch das ägyptische Christentum verantwortlich sind.» Beide Religionen lebten seit 15 Jahrhunderten zusammen, solche Ereignisse hätten sie bisher nicht gekannt.

Es gebe ab und zu Spannungen zwischen Christen und Muslimen, räumte der Großscheich ein: «Wie überall, wo verschiedene Religionen zusammenleben.» Gefechte zwischen Muslimen und Christen habe es allerdings nicht gegeben. «Ich bin der Meinung, dass externe Faktoren die Stabilität Ägyptens beeinträchtigen wollen.» (KNA)

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