Ein fragwürdiger Erfolg für die Reformer im Iran

Die Wahlen im Iran sind auf den ersten Blick ein großer Erfolg für die Reformer - doch ist aus mehreren Gründen fraglich, ob dies tatsächlich auch zu mehr Reformen führen wird. Richtig ist, dass die Ergebnisse der Parlaments- sowie der Expertenratswahlen die Rückkehr der Reformer auf die politische Bühne bedeuten, von der sie seit der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste gegen die umstrittene Wiederwahl des erzkonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad 2009 weitgehend ausgeschlossen waren.

Die Eslahtalaban (Reformer) errangen mit ihrer Liste "Hoffnung" unter der Führung von Mohammed Resa Aref alle 30 Parlamentssitze der Provinz Teheran. Sie drängten damit selbst den Spitzenkandidaten der Osulgerayan (Konservativen), Gholam-Ali Haddad Adel, aus dem Parlament. Auch bei der Wahl des Expertenrats, der im Fall des Todes des geistlichen Oberhaupts Ayatollah Ali Chamenei dessen Nachfolger wählt, holte die Liste "Hoffnung" in Teheran die meisten Sitze.

Die reformorientierte Zeitung "Schargh" schrieb am Montag vom "Beginn einer neuen Zeit in der iranischen Politik: Einer Zeit, in der niemand mehr die Anhänger eines Lagers durch die Bezeichnung als Gegner des Systems ausschließen kann". Die Eslahtalaban hätten "unter der eigenen Flagge und unter der Führung ihres wichtigsten Anführers" in Teheran den Sieg errungen. Damit seien sie nach Jahren als Randerscheinung nun mit einem Paukenschlag zurück in der Politik.

Der Erfolg der Liste "Hoffnung" in Teheran und in geringerem Maße auch in den Provinzen ist ein deutliches Signal Richtung Wandel: Die Iraner haben den Konservativen eine demütigende Niederlage beigebracht und sich mit dem Votum klar hinter Präsident Hassan Ruhani und seine Politik der vorsichtigen Öffnung und der Annäherung an den Westen gestellt, die im vergangenen Juli im Abschluss eines langfristigen Atomabkommens gipfelte.

Gareth Smyth vom Iranportal "Teheran Bureau" verweist aber darauf, dass die Liste "Hoffnung" zwar von dem ausgewiesenen Reformer Aref angeführt wird, aber auch viele Moderate und etliche Konservative umfasst. Der Grund dafür ist, dass der Großteil der eigentlichen Kandidaten der Reformer im Vorfeld vom Wächterrat disqualifiziert worden war. Mangels genügend eigener Kandidaten sahen sich die Reformer daher gezwungen, ihre Wahlliste mit Moderaten und Konservativen aufzufüllen.

Dies führte dazu, dass an zweiter Stelle der Liste "Hoffnung" in Teheran der prominente Konservative Ali Motahhari steht. Zwar hat er sich mit seiner Kritik an dem Ausschluss der Reformer nach den Protesten 2009 den Zorn der Hardliner zugezogen, doch bedeutet dies nicht, dass er selbst ein Reformer ist. Vielmehr ist er in gesellschaftlichen Fragen eindeutig auf  konservativer Linie.

Vollends fragwürdig wird die Bezeichnung "Reformer" für die Liste "Hoffnung" beim Expertenrat. Zwar wird die Liste dort angeführt von dem moderaten früheren Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani, doch auf den hinteren Plätzen finden sich so umstrittene Figuren wie die früheren Geheimdienstminister Mohammed Mohammadi Rejschahri und Ghorban-Ali Dori-Nadschafabadi, die mit Morden an Dissidenten in den 80er und 90er Jahren in Verbindung gebracht werden.

Für Gareth Smyth ergibt die Einteilung in Reformer und Konservative daher keinen Sinn mehr. Zwar sei Ruhani durch die Wahl gestärkt, doch politische Reformen im Sinne der Stärkung der Partizipation, der Meinungsfreiheit oder der Frauenrechte seien kaum zu erwarten. Ruhani sei "ein fähiger Politiker, aber kein Reformer".

Tatsächlich liegt sein Fokus auf der Stärkung der Marktwirtschaft, nicht der Bürgerrechte. Diese hätten für ihn keine Priorität - das hatte er bereits kurz nach seiner Wahl 2013 klar gemacht. Die jetzigen Wahlen dürften daran wenig ändern. (AFP)

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