Deutliche Kritik an AfD-Antrag zu Grundgesetzänderung

Der von der AfD vorgelegte Gesetzentwurf zur Grundgesetzänderung mit Blick auf religiöse Praktiken ist von den anderen Bundestagsfraktionen als unnötig zurückgewiesen worden. Schon jetzt sei unter dem "Deckmantel der Religionsausübungsfreiheit" nicht alles erlaubt, betonte der CDU-Rechtsexperte Ingmar Jung am Donnerstag bei der Ersten Lesung im Bundestag.

Die AfD will mit ihrer Initiative das Recht auf ungestörte Religionsausübung der "Verwirkungsregelung" des Artikels 18 des Grundgesetzes unterstellen. Der Gesetzentwurf wurde an die Ausschüsse überwiesen. Federführend ist der Rechtsausschuss.

In Artikel 18 heißt es, dass derjenige, der etwa die Freiheit der Meinungsäußerung, die Lehrfreiheit, die Versammlungsfreiheit oder die Vereinigungsfreiheit zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbrauche, diese Grundrechte verwirke. Über die Verwirkung und ihr Ausmaß entscheidet das Bundesverfassungsgericht im Einzelfall.

Der AfD-Rechtsexperte Stefan Brandner begründete die angestrebte Gesetzesänderung damit, sie mache die "Demokratie wehrhafter gegenüber ihren Feinden". Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hätten seinerzeit das Grundrecht auf Religionsausübung nicht in Artikel 18 aufgenommen, da sie noch Erinnerungen an den Kulturkampf gehabt hätten. Das Grundrecht werde aber in "gefährlichem Maße" immer öfter missbraucht.

Jung betonte dagegen, dass es nur vier Fälle mit Blick auf Artikel 18 gegeben habe, die alle gescheitert seien. Die Religionsausübungsfreiheit sei schon jetzt nicht grenzenlos und sei mit anderen Grundrechten abzuwägen. So sei etwa ein Sikh, der seinen Turban nicht mit einem Helm tauschen wollte, schon an der Straßenverkehrsordnung gescheitert. Eine Ausweitung von Artikel 18 sei unnötig, man könne allenfalls über eine Abschaffung sprechen.

Stefan Ruppert (FDP) sagte, Strafrecht und Polizeirecht seien völlig ausreichend. Karl-Heinz Brunner (SPD) warf der AfD vor, sie wolle das Grundrecht auf Religionsfreiheit schleifen. Konstantin von Notz (Grüne) sagte, es gehe der AfD nur um Stimmungsmache gegen religiöse Minderheiten. Schon rechtsdogmatisch sei das Gesetzesvorhaben nicht möglich, und es widerspreche dem Menschenbild des Grundgesetzes. Die vier erwähnten Fälle seien im Übrigen schon bei der Vorprüfung gescheitert. Niema Movassat (Linke) wies den Gesetzentwurf als "absurd" zurück. Es gehe der AfD nur darum, Muslime gesellschaftlich auszugrenzen. (KNA)