Vordenker der deutschen „Erinnerungskultur“
Jan Assmann, Kulturwissenschaftler und Ägyptologe, ist tot. Er starb im Alter von 85 Jahren in Konstanz, wie der Beck Verlag am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur mitteilte. Ein Schwerpunkt seiner Forschungen war das gesellschaftliche Leben im alten Ägypten - angefangen bei dem Zeitverständnis über die Vorstellung von Tod und Jenseits bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Gottesbild.
Maßstäbe setzten auch seine Arbeiten zur Entstehung des Monotheismus, dessen Anfänge er im Auszug der Israeliten aus Ägypten sieht. Gemeinsam mit seiner Frau Aleida entwickelte der Wissenschaftler den Begriff des kulturellen Gedächtnisses. Dabei geht es um die Frage, welche Faktoren zu Identitäts- und Bewusstseinsbildung menschlicher Kulturen und Gesellschaften beitragen.
Für sein Wirken erhielt das in Konstanz lebende Ehepaar zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2018 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Jan Assmann habe internationale Debatten um Grundfragen zu den kulturellen und religiösen Konflikten der heutigen Zeit angestoßen, hieß es damals zur Begründung. Mit seinen Schriften zum Zusammenhang von Religion und Gewalt sowie zur Genese von Intoleranz und absolutem Wahrheitsanspruch leiste er einen unverzichtbaren Beitrag zum Verständnis der Friedensbereitschaft und Friedensfähigkeit der Religionen.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) würdigte Assmann als einen "der führenden Ägyptologen unserer Zeit, der weit über sein eigenes Fachgebiet hinauswirkte und als herausragender Religions- und Kulturwissenschaftler galt". So habe sein Buch "Monotheismus und die Sprache der Gewalt" über die Entstehung von Judentum, Christentum und Islam habe großes Aufsehen erregt. (KNA)
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