Stück für Stück arbeitet Franziskus am Dialog mit dem Islam

Papst Franziskus hält Plädoyer für Menschenrechte beim Besuch in Bahrain.
Papst Franziskus hält Plädoyer für Menschenrechte beim Besuch in Bahrain.

Auf den ersten Blick erscheint Papst Franziskus in den reichen Öl-Monarchien am Persischen Golf wie im falschen Film. Sein Fiat 500 wirkt exotisch zwischen all den Luxuslimousinen - doch seine Friedensbotschaft kommt an.

Mit Schmerzen im Knie bewegt sich Papst Franziskus seit Donnerstag auf dem glänzenden Marmorparkett des königlichen Palastes in Awali. Er ist zu Gast im Haus des Königs mit seinen weiten Hallen und parkähnlichen Gärten. Der Grund für die ungewohnte päpstliche Unterkunft: In Bahrain gibt es trotz guter diplomatischer Beziehungen zum Heiligen Stuhl kein Nuntiatur-Gebäude. Und so hat der Papst, ähnlich wie 2019 in Abu Dhabi, die Einladung des Monarchen angenommen, im Gästetrakt des Palastes zu wohnen.



Nur wenige Schritte schafft der Papst zu Fuß, gestützt auf seine Gehhilfe. Sonst bewegt er sich im Rollstuhl - oder im Fiat 500, der zwischen den Limousinen und SUVs der reichen Bahrainer wie ein Spielzeugauto wirkt. Der Ehrfurcht, mit der ihm seine Gastgeber begegnen, tut das keinen Abbruch. Im nationalen Fernsehen diskutieren muslimische und christliche Gesprächspartner über die Worte und Reden von "Baba Francis". Vor allem geht es um seine Friedensbotschaften.



In seiner Eröffnungsrede machte der Papst deutlich, dass es sich dabei um ein größeres Projekt handele: "Diese Tage markieren eine wertvolle Etappe auf dem Weg der Freundschaft, der sich in den vergangenen Jahren mit verschiedenen islamischen Religionsführern intensiviert hat. Es ist ein geschwisterlicher Weg, der unter dem Blick des Himmels dem Frieden auf der Erde dienen will."

Plädoyer für Menschenrechte 



Tatsächlich hat Franziskus den Dialog mit dem Islam immer mehr zu einem Schwerpunkt gemacht. Von seinen 15 letzten Reisen gingen 5 in Länder mit islamischer Mehrheit. Zwei Dokumente zum Dialog-Thema markieren die Richtung. Die ökologisch-pazifistische Enzyklika "Fratelli Tutti" von 2020 enthält einige wichtige Passagen. Der grundlegende Text aber ist das "Dokument von Abu Dhabi" (2019) über menschliche Geschwisterlichkeit.



Darin haben der Papst und der Großscheich der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmed al-Tayyeb, die Lehre von katholischer Kirche und Islam über die Koexistenz von Religionen weiterentwickelt. Sie schrieben: "Jeder Mensch genießt Bekenntnis-, Gedanken-, Meinungs- und Handlungsfreiheit. Pluralismus und Verschiedenheit in Bezug auf Religion, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnie und Sprache entsprechen einem weisen göttlichen Willen, mit dem Gott die Menschen erschaffen hat. Diese göttliche Weisheit ist der Ursprung, aus dem sich das Recht auf Bekenntnisfreiheit und auf die Freiheit, anders zu sein, ableitet."

Im Februar 2019 hatte der Papst (re.) bereits die Vereinigten Arabischen Emirate besucht: hier mit Großscheich Ahmed al-Tayyeb (l-r) und Scheich Muhammad bin Raschid Al Maktum, Emir von Dubai und Premierminister der VAE.
Im Februar 2019 hatte der Papst (re.) bereits die Vereinigten Arabischen Emirate besucht: hier mit Großscheich Ahmed al-Tayyeb (l-r) und Scheich Muhammad bin Raschid Al Maktum, Emir von Dubai und Premierminister der VAE.





Konservative in der katholischen Kirche, aber auch im Islam kritisierten diese Sätze; letztlich werde damit der Anspruch aufgegeben, alle Menschen zum wahren Glauben zu bekehren. Der Al-Azhar-Großscheich bekannte sich am Freitag beim Treffen mit dem Papst mit Nachdruck dazu: "Der Koran stellt fest, dass Allah die Menschen unterschiedlich in Rasse, Hautfarbe, Sprache und Religion geschaffen hat (...) Diese Vorgaben des Koran sind logisch zwingend und lassen keinen Raum für Neuinterpretationen oder Verzerrungen. Aus den natürlichen Unterschieden folgt notwendig die Freiheit des Glaubens, und diese wiederum bedingt eine friedliche Beziehung unter den Völkern."



Im Vorhof der Moschee im Königspalast von Awali folgte am Freitagnachmittag ein weiterer kleiner, aber symbolischer Schritt auf dem vom Papst skizzierten Weg. Eine Begegnung mit dem internationalen "Muslim Council of Elders", dem Sunniten und Schiiten angehören, wurde mit Lesungen aus dem Koran und aus dem biblischen Buch Genesis eröffnet. Ein muslimischer Junge und eine junge Christin trugen in Anwesenheit des Papstes und des sunnitischen Großscheichs Al-Tayyeb die Texte aus den jeweiligen Heiligen Schriften vor. Im Koran-Text war von der Erschaffung der Welt und der Menschheit die Rede, im biblischen Text vom Sündenfall und von der Tötung Abels durch seinen Bruder Kain.



Die darauffolgenden Ansprachen der christlichen und muslimischen Würdenträger wiederholten bekannte Forderungen nach religiöser Toleranz und Frieden. Doch sie machten weniger Eindruck als dieser kurze Moment wechselseitigen Hörens.



Nach den christlich-islamischen Treffen nahm der Papst in der neuen katholischen Kathedrale von Awali an einer ökumenischen Begegnung mit Vertretern unterschiedlicher christlicher Konfessionen teil. Dort gab es lebhaften Beifall für seinen Aufruf für mehr Einheit unter den christlichen Kirchen. Auch hier warb er für Dialog mit den Gläubigen anderer Religionen. (KNA)

 

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