Jeder in seinem Haus

In Córdoba wollen Muslime ein halbes Jahrtausend nach der Reconquista wieder in ihrer historischen Moschee beten. In der Mitte des Bauwerks steht aber seit Jahrhunderten eine Kirche. Über den Streit um das "interreligiöse Gebetshaus" berichtet Leo Wieland.

Minarett der Córdoba-Moschee; © Wikipedia Commons
Ein halbes Jahrtausend nach der Vertreibung der Mauren aus Al Ándalus erheben die aus Nordafrika wiederkehrenden Muslime gewissermaßen historische Ansprüche.

​​Mansur Escudero ist ein demonstrativer Beter. Weil ihm der Bischof von Córdoba das nicht in der hiesigen Moschee-Kathedrale gestatten wollte, rollte der spanische Konvertit unlängst seinen Gebetsteppich vor den Mauern des weltberühmten Bauwerks aus. Dort zog der Präsident der Islamischen Junta Spaniens - im Hauptberuf Psychiater - seine Schuhe aus, hob die geöffneten Hände gen Mekka und betete, bis den umstehenden Kameraleuten die Arme lahm wurden. Es war dies, was es sein sollte: eine religiöse und politische Kundgebung.

Es war auch eine Kraftprobe. Ein halbes Jahrtausend nach der Vertreibung der Mauren aus Al Ándalus erheben die aus Nordafrika als legale und illegale Einwanderer wiederkehrenden Muslime gewissermaßen historische Ansprüche. Ihre spanischen Glaubensbrüder unterstützen sie dabei und bringen damit die katholische Kirche in einige Verlegenheit.

In Córdoba, unter den Kalifen einst das "Mekka des Okzidents", ist seit der Wiedereroberung durch die Christen im Jahr 1236 der Bischof wieder Hausherr in der Moschee-Kathedrale.

Der gegenwärtige Amtsinhaber, Juan José Asenjo, dessen Herz Mansur Escudero nach eigenen Worten "erweichen" wollte, ist einem Dialog grundsätzlich nicht abgeneigt. Dass nun aber Muslime in dem Gotteshaus, in dem die Messe und nur die Messe gefeiert wird, auch wieder beten wollen, ist ihm nicht recht.

Das würde, so argumentierte er bei seiner Absage, "nur Verwirrung unter den Gläubigen" stiften und der "religiösen Beliebigkeit" Vorschub leisten.

Francisco Alcalde, der Vorsitzende der Bruderschaften der Stadt, die sich gerade in der Fastenzeit auf die prachtvollen Karwochenprozessionen vorbereiten, drückte sich drastischer aus. Er nannte das öffentliche Gebet Escuderos eine "Provokation" und fügte hinzu: "Wir kämen auch nicht auf den Gedanken, nach Mekka zu fahren und dort ein Vaterunser zu beten." Sein Fazit: "Jeder in seinem Haus und Gott in allen."

Historische Moschee-Kathedrale mit antikem Fundament

Nun ist aber die Moschee-Kathedrale, wie schon ihr Name sagt, ein besonderes Haus.

Ihre Fundamente stammen von einem Janustempel aus der Römerzeit. Als die spanische Kolonie mit dem Imperium christlich wurde, entstand an gleicher Stelle eine romanische Kirche. Dann kamen im achten Jahrhundert die Araber und errichteten mit den alten Steinen und viel frischem Marmor eine Augenweide mit vierhundert Säulen, die neben dem Heiligtum von Mekka ihresgleichen suchte.

In ihr Herzstück - dafür mussten viele Säulen geopfert werden - setzten dann aber nach dem Sieg die christlichen Hausherren mit triumphalem Gestus eine neue Kirche mit prunkvollem Hochaltar, Chor und Seitenkapellen.

Karl V. gab im 15. Jahrhundert die Erlaubnis zu einem gotischen Ausbau. Der Kaiser hatte allerdings davor die Moschee nicht gesehen, und als er eines Tages Córdoba besuchte und die konkurrierende Mischung sah, war es zu spät. Er konnte nur noch nachträglich sein Bedauern äußern: "Wenn ich nur gewusst hätte . . ."

Islamisches Gebet in der Kirche

Das Kultverbot für die Muslime an diesem Ort wurde in dem halben Jahrtausend seit dem Fall Granadas und dem Ende der Reconquista im Jahr 1492 nicht immer ganz strikt praktiziert.

So durfte im Jahr 1974 ein Staatsgast vor dem kostbaren Mihrab in Córdoba durchaus beten. Es war Saddam Hussein, der zuvor mit dem Diktator Francisco Franco gespeist und von diesem für seine Visite einen großzügigen Dispens erhalten hatte.

Auch in den nachfolgenden Jahren des demokratischen Spanien, als sich eine neue Variante der "Reconquista" durch arabische Ölscheichs auf das Urlauberparadies Marbella konzentrierte, wurden in der Moschee-Kathedrale saudische Prinzen gesichtet, wie sie vor der Gebetsnische knieten.

Mansur Escudero kam vor einem Jahr auf die Idee, eine Öffnung für die lokalen Gläubigen - in Córdoba sind es ein paar tausend - mit Hinweis auf die "Allianz der Zivilisationen" zu beantragen. Das ist ein Völkerverständigungsprojekt, das der sozialistische Ministerpräsident José Luis Zapatero zusammen mit seinem türkischen Partner Recep Tayyip Erdogan begründet hat.

So regte Escudero in einem Brief an den Regierungschef nicht nur eine "ökumenische Transformation" der Moschee-Kathedrale an, sondern gleich auch eine der Hagia Sofia in Istanbul, die zurzeit für alle religiösen Zwecke geschlossen ist.

Schließlich schrieb er einen zweiten Brief ähnlichen Inhalts an Benedikt XVI. Als die Kunde nach Córdoba gelangte, dass der Papst bei seinem Türkei-Besuch diskret in der Blauen Moschee gebetet haben soll, fühlte Escudero sich bestätigt. Noch wartet er aber auf Antwort von beiden Adressaten.

Als ob die Angelegenheit nicht schon kompliziert genug wäre, verhedderte sich sogar der Vorsitzende der spanischen Bischofskonferenz, Ricardo Blázquez, darin. Er sagte kurz vor Weihnachten so gutwillig wie beiläufig: "Wenn einige Muslime hineingehen und vor dem Mihrab beten, sehe ich da kein Problem."

Irgendwer im Vatikan, in der Bischofskonferenz oder bei beiden sah aber offenbar eines. So wurde Blázquez einen Tag später durch ein Kommuniqué seiner Organisation korrigiert, in dem es hieß, dass der Bischof von Bilbao "weder empfohlen hat noch empfiehlt", dass Muslime in der Moschee-Kathedrale beten. Der Ordnung halber fügten die Verfasser der Stellungnahme hinzu, dass "die einzige Autorität in dieser Materie" der Bischof von Córdoba sei, und zwar "unter der direkten Leitung des Heiligen Stuhls".

Lokalpolitik für interreligiösen Dialog

Bei so viel Kontroverse durften die Lokalpolitiker natürlich nicht fehlen. Nun regiert in Córdoba aber delikaterweise die "Vereinigte Linke", eine Allianz von Grünen und Kommunisten, die durchaus sensibel auf die mutmaßlichen Wünsche ihrer größtenteils katholischen Wählerschaft reagiert.

Die Kommunisten und Sozialisten im Rathaus wollten sich nicht die Finger verbrennen und verfassten eine nichtssagende Resolution darüber, dass das Beten in der Moschee in einen "Dialog zwischen den Religionen" gehöre und nicht in die Stadtverwaltung. Der oberste Funktionär der Kommunisten Córdobas, Enrique Centella, wagte sich hingegen aus der Deckung, als er Mansur Escuderos Auftritt einen "Zirkus" und den Beter einen "Clown" nannte. Er selbst, so stellte er klar, habe, was Katholiken und Muslime angehe, keinerlei Vorurteile. Er und seine Genossen seien nämlich "weder das eine noch das andere".

Während aber die Politiker in Córdoba schon an den 27. Mai dachten, an dem die Bruderschaften ihrer Stadt und alle ihre Verwandten an die Urnen gerufen werden, argumentierte im fernen Madrid der Generalkoordinator der Vereinigten Linken, Gaspar Llamazares, haarscharf an den andalusischen Befindlichkeiten vorbei. Er sah in dem Gebetsbegehren der Muslime eine "legitime Option" und forderte die Stadt auf, sich für einen konfessionsübergreifenden "Respekt vor allen" einzusetzen.

Während ähnlich Gesinnte für die vorösterliche Zeit nun zu einem "interreligiösen Gebet" in einer kleinen "aktiven" Moschee bei Córdoba aufgerufen haben, hat Mansur Escudero seine Initiative um des Friedens willen erst einmal "geparkt".

Die Islamische Junta teilte mit, dass man zwar nicht auf die "gerechte Forderung" verzichten, für eine Weile das Thema aber ruhen lassen wolle. Die Junta hatte zugleich jedoch eine Wahlempfehlung für ihre Gläubigen parat. Sie sollten auf jeden Fall für "fortschrittliche Parteien wie die Sozialisten und Kommunisten" stimmen.

Leo WieLand

© F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Qantara.de

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