Vertreter von Muslimen und Juden rufen zu Besonnenheit auf

Bonn. Vertreter von Juden und Muslimen in Deutschland rufen mit Blick auf den Krieg im Gazastreifen zu Besonnenheit auf. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte am Freitagabend in den ARD-Tagesthemen, er mache sich große Sorgen über die Lage in Deutschland. Auf den Straßen seien derzeit Hass, Gewalt und Antisemitismus zu sehen. Das verurteile er ganz klar und deutlich. Das Vorgehen der Hamas bezeichnete er als einen "schlimmen Terroranschlag".



Mazyek betonte, er verhehle nicht, dass es auch Muslime gebe, die antisemitisch seien - und das müsse man bekämpfen. Rassismus sei im Islam eine Sünde. Gerade die deutschen Muslime hätten eine besondere Verantwortung - auch gegenüber Juden und Israel. Muslime und Juden in Deutschland dürften sich nicht auseinanderdividieren lassen. Gerade die Religion biete Möglichkeiten und Formen, Gemeinsamkeiten und Anteilnahme zu bekunden, beispielsweise durch gemeinsame Friedensgebete. Deshalb habe er am Freitag eine Synagoge besucht.



Der Zentralratsvorsitzende betonte zugleich, dass die Moscheegemeinden in den vergangenen Wochen "sehr stabil" geblieben seien und sich nicht von Hass hätten leiten lassen. Auch unter den Muslimen in Deutschland gebe es viele, die Angehörige und Freunde in Gaza verloren hätten. Auch ihnen müsse es möglich sein, Gefühle der Angst, Trauer und Ohnmacht öffentlich zu bekunden. Für sie gelte ebenfalls die Demonstrationsfreiheit, die allerdings friedlich genutzt werden müsse. Muslime sollten deshalb genau hinschauen, wer die Veranstalter von Demonstrationen seien und welche Ziele sie verfolgten.



Mehrere Gerichte hatten in den vergangenen Tagen pro-palästinensische Demonstrationen wegen befürchteter Straftaten verboten. In München und Frankfurt kippten höhere Instanzen die Verbote allerdings am Freitag wieder.



Auch der Berliner Rabbiner Andreas Nachama forderte gemeinsame Anstrengungen, um eine Eskalation von Hass und Gewalt in Deutschland zu verhindern. "Muslime und Juden sitzen im gleichen Boot. Wir werden von Rechtsextremen gleichermaßen antisemitisch oder antirassistisch bedroht. Wir sollten miteinander für eine tolerante Gesellschaft eintreten", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel" (Samstag).



Nachama mahnte, Muslime nicht pauschal als gewaltbereit abzustempeln. Die Gewaltbereitschaft betreffe eine bestimmte Szene. "Ich habe in der muslimischen Community viele Freunde und appelliere an alle, einen Weg zur Geschwisterlichkeit und Partnerschaft zu finden."



"Der rechtsradikale, hier verankerte Antisemitismus und der nahöstliche geben sich auf unheilvolle Weise die Hand", sagte Nachama, der auch Mitgründer des House of One ist, einem auf Dialog zwischen Christen, Juden und Muslimen ausgerichteten Projekt in Berlin-Mitte.



Die Bedrohungslage sei ernst. "Gleichzeitig sollten wir bei gewaltverherrlichenden Personen nicht den Eindruck erwecken, sie hätten damit Erfolg", sagte Nachama. Letztlich sei die jüdische Gemeinschaft gewöhnt, mit Drohungen von außen umzugehen. "Ich erinnere an den Anschlag auf die Synagoge in Halle, zugleich aber auch an die rechtsextremen Morde von Hanau, die Muslimen galten", sagte der Rabbiner. (KNA)