Unmut in Israel nach Besuch des deutschen Botschafters im Obersten Gericht

Berlin. Die Teilnahme des deutschen Botschafters in Israel an einer Anhörung des Obersten Gerichtshofs zur Justizreform hat bei der israelischen Regierung Verärgerung hervorgerufen. Israel habe in Berlin offiziell Beschwerde gegen Botschafter Steffen Seibert eingelegt, sagte ein israelischer Regierungsvertreter, der anonym bleiben wollte, am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte hingegen, es sei keine Beschwerde Israels eingegangen. Israels Botschaft in Berlin wiederum widersprach dieser Darstellung.



Die Bundesregierung nahm Botschafter Seibert gegen Kritik aus Israel in Schutz. Seibert hatte vergangene Woche als Zuschauer an einer Sitzung des Obersten Gerichts teilgenommen, in der eine Anhörung zur umstrittenen Justizreform der rechtskonservativen Regierung stattfand.



Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verteidigte Seiberts Vorgehen. Es sei "das Alltagsgeschäft von Diplomatinnen und Diplomaten, auf dem aktuellen Stand von Entwicklungen in unterschiedlichen Ländern zu sein", sagte Baerbock bei einem Besuch in New York. Es sei "auch ganz normal, dass wir zu öffentlichen Anhörungen oder öffentlichen Gerichtsprozessen gehen, deswegen ist es Teil seines Jobs".



Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte sich hinter Seibert: "Der deutsche Botschafter ist ein engagierter Mann mit sehr klaren Prinzipien - und ich glaube, dass das auch jeder weiß, auch in Israel", sagte der Kanzler in New York.



Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte in Berlin, eine Beschwerde aus Israel über das Verhalten von Botschafter Seibert sei nicht eingetroffen: "Es ist im Auswärtigen Amt bei uns keine offizielle Beschwerde der israelischen Regierung eingegangen." Auf die Frage, ob die Beschwerde auf inoffiziellem Weg übermittelt worden sei, entgegnete der Sprecher: "Nicht, dass mir dies bekannt wäre."



Eine Sprecherin der israelischen Botschaft in Berlin widersprach allerdings der Darstellung des Auswärtigen Amts: Auf Anweisung von Außenminister Eli Cohen habe "ein ranghoher Diplomat mit Botschafter Seibert gesprochen und unseren Protest in dieser Angelegenheit zum Ausdruck gebracht". Die Botschaftssprecherin fügte hinzu: "Ähnliche Mitteilungen wurden dem Auswärtigen Amt von Israels Botschaft in Berlin übermittelt."



Auf Nachfrage der AFP wollte sich das Auswärtige Amt nicht zu diesen widersprüchlichen Angaben äußern. Eine Sprecherin verwies am Abend auf die vorangegangene Mitteilung, wonach keine offizielle Beschwerde eingegangen sei. An dieser Darstellung werde festgehalten, sagte sie.



Das israelische Parlament hatte ein bei der Anhörung geprüftes Gesetz zur Einschränkung der Befugnisse der Justiz im Juli trotz Massenprotesten mit knapper Mehrheit verabschiedet. Nach Ansicht der Kritiker untergräbt die Reform die Justiz als wichtigen Pfeiler der israelischen Demokratie.



Die ultrarechte Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erachtet die Gesetzesänderungen hingegen als notwendig, um die Machtverhältnisse zwischen Parlament und Justiz neu zu regeln. Gegen die Reform gibt es seit über einem halben Jahr Massenproteste. (AFP)