Juden, Muslime und Christen beten im Bonner "Room of One"

Christen, Juden und Muslime leben in Europa. Daraus ergibt sich eine gemeinsame Verantwortung für Gesellschaft.
Christen, Juden und Muslime leben in Europa. Daraus ergibt sich eine gemeinsame Verantwortung für Gesellschaft. (Foto: picture alliance/Godong)

Es geht um Klimaschutz - aber auch um Frieden. Wer die Mittagspause mal nicht in der Kantine verbringen möchte, kann es mal mit einem besonderen Gebet in einem Kirchenkreuzgang in Bonn versuchen.

Bonn. Wenn Nasrin Bani Assadi zum islamischen Gebetsruf anhebt, schwebt ihre Stimme leicht und einladend durch den Raum. Es ist der Auftakt zu einer halben Stunde des Gebets von Muslimen, Juden und Christen in Bonn. Sie treffen sich seit rund fünf Monaten in einem Saal, der vom idyllischen Kreuzgang der Bonner Hauptkirche abgeht und für dieses besondere Gebet in "Room of One" umbenannt wurde. Immer donnerstags um 14.00 Uhr findet hier das multireligiöse Gebet statt - mit dabei sind ein Kern an Teilnehmenden, aber auch Neugierige, die vielleicht gerade zufällig durch den Kreuzgang flanieren.

Rund 30 Menschen haben sich dieses Mal versammelt, dem ersten nach Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan. Er fällt über weite Strecken mit der christlichen Fastenzeit zusammen, und auch mit einer kurzen Fastenstrecke im Judentum an diesem Donnerstag: dem Fasttag Taanit Esther vor dem Fest Purim, das am Samstagabend beginnt und bis Sonntagabend dauert. Mit diesem fröhlichen Fest wird an die Rettung der Juden vor der Vernichtung durch die Perser erinnert.

Annette Boeckler ist beim Gebet für den jüdischen Part zuständig, für das Schma Israel, zentrales Gebet im Judentum; Klaus von Stosch für das christliche Magnifikat, in das viele Teilnehmende einstimmen. In dieser halben Stunde haben Koran-Rezitationen, christliche und jüdische Gebete und Gesänge ebenso ihren Platz wie eine Tangomelodie mit einem Text, der keiner der drei Religionen entlehnt ist. Dazu spielt eine kleine Orgel. Während im Kirchraum des Bonner Münsters die große Orgel erklingt, die hier, im "Room of One" (Raum des Einen), nur ganz leise hörbar ist.

In einem Kreis sitzen die Teilnehmenden in zwei Reihen auf Stühlen, zum Teil mit Kippa und Kopftuch. An der Kopfseite des Saals steht eine Madonnenstatue, links und rechts davon jeweils eine Tafel mit arabischen Schriftzeichen und einer Darstellung des jüdischen Leuchters.

Die Bezeichnung des Raumes erinnert an das Berliner Projekt "House of One" (Haus des Einen), das ein gemeinsames Bet- und Lehrhaus von Juden, Christen und Muslimen im Zentrum der Hauptstadt werden soll. Die Bonner Gebetsreihe wird vom International Center for Comparative Theology and Social Issues (CTSI) der Universität Bonn verantwortet. "Im multireligiösen Gebet rezitieren Angehörige verschiedener Religionen in jeweils eigener Tradition im selben Raum voreinander heilige Texte", heißt es im Gebetsheft. 

Es wird Wert darauf gelegt, dass es keine interreligiöse Veranstaltung ist - in der "Gebete gemeinsam gesprochen werden und eine vermeintliche Einheit sichtbar gemacht werden soll". Hierbei bestehe oft eine "Gefahr von Vereinnahmung oder Verflachung, weil ein kleinstmöglicher gemeinsamer Nenner gesucht" werde.

Die Idee: als multireligiöse Gemeinschaft loben, lernen und fragen, heißt es. Vor allem den Aspekt des Lernens hebt auch Boeckler hervor. Bani Assadi bezeichnet es als inspirierend, gerade jetzt die Unterschiede des muslimischen und christlichen Fastens zu beobachten. Es stellten sich ihr etwa diese Fragen: Wie kommen wir zu Gott, auf welchen unterschiedlichen Wegen? Wie beziehen wir uns auf Gott?

Von Stosch, katholischer Theologe und Mitinitiator des Projekts, würde die bis Sommer geplante Gebetsreihe gerne fortsetzen. Vonseiten des Bonner Münsters, das den Raum zur Verfügung stellt, kommen in Gestalt von Kaplan Christian Jasper lobende Worte für das Projekt, das unter dem Motto "Faiths United for the Planet" steht - aber auch ein Friedensgebet ist.

Die Reihe startete nicht lange nach dem 7. Oktober, als die Hamas in Israel ein Massaker beging, auf das Israel mit einem Krieg im Gazastreifen reagierte. Nicht immer einfach sei das Miteinander vor diesem Hintergrund gewesen, man habe sich aber "zusammengerauft", heißt es. Fest steht jedenfalls: Juden, Muslime und Christen treffen sich seit Monaten im "Room of One".

Der Gedanke des Friedens drückt sich an diesem Tag im Schlusslied aus, dass die Teilnehmenden in den sonnigen Frühlingsnachmittag entlässt. Einige sitzen noch ein bisschen auf den Bänken im Innenhof des Kreuzgangs beieinander, durch den noch immer die Orgelklänge der Kirche ziehen. (KNA)