Iraner wählen neues Parlament - niedrige Beteiligung erwartet

Eine Iranerin gibt in einem Wahllokal in Teheran ihre Stimme ab
Boykottaufrufe überschatten Wahlen im Iran: Parlamentswahl im Iran ohne Aussicht auf Veränderung. (Foto: Vahid Salemi/picture alliance/AP Photo)

Teheran - In Erwartung einer niedrigen Wahlbeteiligung und einer weiteren Machtzunahme für die konservativen Kräfte im Land ist im Iran ein neues Parlament und der aus Geistlichen bestehende sogenannte Expertenrat gewählt worden. 

Als erster gab der politische und religiöse Führer Ajatollah Ali Chamenei am Freitag seine Stimme ab, wie das Staatsfernsehen berichtete. Unterdessen wurde bekannt, dass ein iranischer Popsänger wegen "Aufwiegelung" während der Massenproteste nach dem Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini zu drei Jahren Haft verurteilt wurde.

Als wichtiges Indiz für die Stimmung im Land gilt die Beteiligung an der Wahl. Während im Exil lebende Oppositionelle zum Boykott aufriefen, forderte Chamenei am Freitag persönlich zur Teilnahme an der Abstimmung auf.

Experten rechneten mit einer niedrigen Wahlbeteiligung. Einer Umfrage des staatlichen Fernsehens zufolge stand mehr als die Hälfte der Bürger der Wahl gleichgültig gegenüber. Bei der Parlamentswahl im Jahr 2020 hatte die Wahlbeteiligung bei 42,57 Prozent gelegen. Dies war der niedrigste Wert seit der Islamischen Revolution 1979.


"Nehmen wir an, ich wähle: Was würde das ändern?", sagte die 21-jährige Hanna aus der westlichen Provinz Kurdistan. "Sie halten sich nicht an ihre Versprechen", sagte sie. Die 19-jährige Studentin Marjam Haddadi will dem Aufruf des Ajatollahs zur Wahl hingegen folgen: "Das ist mein erstes Jahr, in dem ich wähle." Sie tue dies, um "eine Rolle im Schicksal meines Landes zu spielen".


Mehr als 61 Millionen der insgesamt 85 Millionen Einwohner des Iran waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahllokale sollten um 18.00 Uhr (Ortszeit, 15.30 Uhr MEZ) schließen.
Es wurde erwartet, dass der Urnengang die Macht der regierenden Konservativen im Parlament festigt, die derzeit 239 der 290 Sitze innehaben. Reformorientierte Kräfte können nur auf wenige Mandate hoffen, da ein Großteil ihrer Kandidaten nicht zur Wahl zugelassen wurde.
Über die Zulassung entscheidet der Wächterrat, dessen Mitglieder vom Ajatollah bestätigt oder ernannt werden. Der Rat hat 15.200 Kandidaten für die 290 Parlamentssitze zugelassen - von fast 49.000 Bewerbern. Das oppositionelle Parteienbündnis Reformfront hatte eine Teilnahme an den "sinnlosen" Wahlen abgelehnt.


Für den 88 Mitglieder umfassenden Expertenrad waren 144 Kandidaten aufgestellt. Auch hier wurden viele Bewerber nicht zugelassen, darunter der gemäßigte ehemalige iranische Präsident Hassan Ruhani.


Es sind die ersten Wahlen im Iran seit den Demonstrationen infolge von Aminis Tod im Polizeigewahrsam im September 2022. Die Sicherheitskräfte gingen bei den monatelangen Protesten unter dem Motto "Frauen, Leben, Freiheit" massiv gegen die Demonstranten vor. Mehrere hundert Menschen wurden getötet, tausende verhaftet.


Am Freitag erklärte der Sänger Scherwin Hadschipur, er sei wegen "Aufwiegelung und Provokation zum Aufruhr zur Störung der nationalen Sicherheit" zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Hadschipur hatte während der Demonstrationen aus Beiträgen in Onlinediensten über die Gründe für die Proteste das Lied "Baraje" ("Dafür") zusammengestellt und auf Instagram veröffentlicht. (AFP) 

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Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur von der Universität Köln bezeichnete die Wahl als Farce. Die Islamische Republik wolle damit den Anschein einer Demokratie vermitteln, sagte Amirpur im Deutschlandfunk. Die geringe Wahlbeteiligung sei aber ein klares Statement der Bevölkerung gegen das Regime. Dass es nach den Wahlen innen- und außenpolitisch Reformen im Iran gibt, hält die Wissenschaftlerin für „absolut unwahrscheinlich“. 

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