Hamas-Angriff auf Israel: Mehr als 1100 Tote und mindestens hundert Geiseln

Jerusalem. Seit Samstag erschüttert der schwerste militärische Konflikt seit Jahrzehnten den Nahen Osten. Seit Beginn des Großangriffs der radikalislamischen Hamas auf Israel wurden bis Sonntagabend mehr als tausend Menschen getötet und tausende weitere verletzt. Ein Überblick:



Der Beginn des Angriffs



Gegen 06.30 Uhr am Samstagmorgen, dem jüdischen Feiertag Simchat Tora, starten nach Angaben der israelischen Armee hunderte Hamas-Kämpfer einen Großangriff auf Israel. Der Angriff, von der Hamas "Operation Al-Aksa-Flut" genannt, beginnt einen Tag nach dem 50. Jahrestag des Beginns des Jom-Kippur-Krieges zwischen Israel und arabischen Staaten, der damals fast drei Wochen andauerte.



Während die radikalislamische Palästinenserorganisation vom Gazastreifen aus tausende Raketen auf Ziele in Israel abfeuert, bahnen sich Hunderte ihrer Kämpfer am Boden mit Sprengstoff und Planierraupen den Weg durch die Sperranlage rund um den Küstenstreifen und dringen auf israelisches Gebiet vor. Bei ihrem Vormarsch nutzen die Angreifer Pick-Ups, Motorräder, Schnellboote und motorisierte Gleitschirme.

Die eingesickerten Hamas-Kämpfer dringen in Kibbuze sowie Städte vor, töten Zivilisten auf der Straße und in ihren Häusern und nehmen mindestens hundert Menschen als Geiseln. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, es sei davon auszugehen, dass auch deutsche Staatsbürger unter den Entführten seien. Die US-Regierung prüft Berichte, wonach auch US-Bürger verschleppt wurden.



Die Hamas-Kämpfer greifen nach israelischen Medienberichten auch ein Musikfestival in der Nähe des Kibbuz Reim an, zu dem sich mehrere hundert junge Israelis versammelt haben. Dort wird offenbar auch eine junge Deutsch-Israelin von der Hamas misshandelt und verschleppt.



Die Antwort Israels

Israel wurde von dem Großangriff nach Einschätzung von Experten überrascht. Regierungschef Benjamin Netanjahu ruft formal den Kriegszustand aus. Israel stehe nun vor einem "langen und schwierigen Krieg, der uns durch einen mörderischen Angriff der Hamas aufgezwungen wurde". Die Verstecke der Hamas im Gazastreifen würden in "Trümmer" gelegt. In dem schmalen Küstenstreifen mit rund 2,3 Millionen Bewohnern regiert seit 2007 die Hamas, Israel hält das Gebiet mit einer strikten Blockade umschlossen.



Die Armee schickt zehntausende Soldaten in die Kampfgebiete im Süden Israels rund um den Gazastreifen. Sie startet den Einsatz "Eiserne Schwerter" und führt zahlreiche Luftangriffe auf Hamas-Stellungen im Gazastreifen aus. Die Armee kündigt an, sie werde die israelischen Geiseln befreien und die gesamte israelische Grenzregion binnen 24 Stunden evakuieren. Hunderte Hamas-Kämpfer sollen laut israelischer Armee getötet worden sein.



Armeesprecher Daniel Hagari sagt, rund 800 Hamas-Ziele seien bombardiert worden, darunter die "militärische Infrastruktur, Wohnhäuser von Kommandeuren und Symbole des Hamas-Regimes".



Hunderte Menschen getötet

Die israelische Seite gibt die Zahl ihrer Opfer am Sonntag mit mehr als 700 Toten und mehr als 2100 Verletzten an. AFP-Reporter sehen an drei israelischen Orten getötete Zivilisten auf den Straßen: in Sderot, im nahe gelegenen Kibbuz Gevim sowie am nördlich des Gazastreifens gelegenen Strand von Sikim. Bei dem Musikfestival in der Nähe des Kibbuz Reim wird eine bisher unbekannte Zahl von Menschen getötet.

Die im Gazastreifen herrschende Hamas spricht von 413 Todesopfern und 2300 Verletzten in dem Palästinensergebiet. Unter den Todesopfern sind auch mehrere Ausländer, darunter "mehrere" US-Bürger, zehn Menschen aus Nepal, zwei Ukrainerinnen und eine Französin.



Was die Hamas zu dem Großangriff sagt

Die Hamas gibt an, sie habe bei ihrer "Operation Al-Aksa-Flut" 5000 Raketen auf Israel abgefeuert. Hamas-Anführer Ismail Hanijeh erklärt, seine Organisation führe "den Kampf zur Befreiung unseres Landes und unserer Gefangenen, die in Gefängnissen des Besatzers schmachten".



Die Palästinenserorganisation ruft "Widerstandskämpfer" im von Israel besetzten Westjordanland sowie "arabische und islamische Nationen" auf, sich ihrem Kampf gegen Israel anzuschließen. Am Sonntagmorgen greift die vom Iran unterstützte Schiiten-Miliz Hisbollah den Norden Israels vom Libanon aus mit Artillerie und Raketen an - "aus Solidarität" mit der Hamas, wie sie erklärt. (AFP)