Braut für einen Sommer

In Ägypten heiraten reiche Golf-Araber junge Mädchen für wenige Wochen – eine legale Form der Prostitution. Von Elisabeth Lehmann, Eva Plesner und Flemming Weiß-Andersen

Von Elisabeth Lehmann & Eva Plesner

Es war ein Sommertag im Jahr 2008, als es an der Tür klopfte. Howeida war damals 15 Jahre alt. Vor der Tür stand ein Mann, er sprach kurz mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter. Dann war die Sache besiegelt: Howeida wurde verheiratet, für umgerechnet 1.750 Euro, an einen Mann aus Saudi-Arabien. Die "Ehe" dauerte ganze 20 Tage, in denen Howeida mehrmals vergewaltigt wurde. Dann reiste der Mann ab, sein Sommer-Urlaub war zu Ende.

Howeida ist eine sogenannte "Sommerbraut". Ein romantischer Name für eine Form der Prostitution. Jedes Jahr kommen reiche Touristen aus den Golfstaaten nach Ägypten und wählen sich für einen Sommer ein Mädchen aus.

Das Brautgeld war für die Familie eine unvorstellbar große Summe, mehrere Jahresgehälter. "Es klang alles so verlockend. Meine Familie hat mir gesagt, ich würde Kleidung und Geschenke bekommen. Ich war noch so jung und schließlich habe ich zugestimmt", erzählt Howeida. Von ihrem Brautgeld kaufte die Familie einen Kühlschrank und eine Waschmaschine.

Ehevertrag in jedem Buchladen erhältlich

Der Papierkram für solche Sommerehen ist schnell erledigt, den Ehevertrag gibt es in jeder Buchhandlung. Ein ganzes Netzwerk an Vermittlern und Anwälten sorgt dafür, dass die Eheschließungen schnell und diskret verlaufen. Offiziell registriert werden sie nicht. So können die Ehen genauso schnell wieder aufgehoben wie geschlossen werden.

Howeida ist heute 28 Jahre alt. Acht Mal war sie verheiratet, immer nur für wenige Tage. Sie schämt sich dafür, möchte ihren richtigen Namen nicht nennen. Sie trägt einen schwarzen Niqab, der nur ihre Augen zeigt. Darunter verbirgt sich eine hübsche Frau mit feiner Haut und schulterlangen schwarzen Haaren.

Der Anwalt Ahmed Moselhy; Foto: Flemming Weiß-Andersen
Der Anwalt Ahmed Moselhy hat eine Vermittlerin von "Sommerbräuten" erfolgreich vor Gericht gebracht. "Sommerehen" sind eine Form der Prostitution in Ägypten. Außerehelicher Sex ist im Islam verboten. Durch die Ehe, die bei keiner Behörde registriert werden muss und ebenso schnell geschlossen wie geschieden werden kann, wird Sex – auch mit Minderjährigen – möglich und legal. Eine Praxis, gegen die der Anwalt Ahmed Moselhy kämpft. Er berät zudem Nichtregierungsorganisationen in Fällen von Prostitution und Menschenhandel.

Als sie das erste Mal verheiratet wurde, lebte sie mit ihrem Vater, ihrer Stiefmutter und ihren sechs Halbgeschwistern in drei kleinen Räumen in einem Dorf am Stadtrand von Ouseem, etwa 20 Kilometer nordwestlich von Kairo.

So einfach, wie Howeida es sich damals vorgestellt hatte, war es nicht. "Ich war noch unschuldig. Ich habe damals noch an die Liebe geglaubt. Die erste Nacht war furchtbar. Danach habe ich psychische Probleme bekommen." Doch das hielt die Familie nicht ab, Howeida im Sommer darauf wieder zu verheiraten. Diesmal an einen Mann aus Kuwait, doch der zahlte nur noch knapp 600 Euro, denn Howeida war ja nun keine Jungfrau mehr.

Wenn das Geld süchtig macht

Howeidas Geschichte ist nicht außergewöhnlich, erzählt Ahmed Moselhy. Der Anwalt berät Nichtregierungsorganisationen in Fällen von Prostitution und Menschenhandel. "Viele Mädchen wollen ihren Familien helfen und gehen die Ehen freiwillig ein. Und zwar immer wieder, denn das Geld kann süchtig machen", sagt Moselhy und eröffnet eine makabre Rechnung: "Die Familien hier in der Umgebung haben meist acht oder mehr Kinder. Jede Tochter bedeutet ein Auto oder eine neue Etage für das Haus."

Die Peripherie von Kairo ist bitterarm. Jeder Vierte lebt hier von weniger als zwei Dollar pro Tag; Foto: Flemming Weiß-Andersen
Kairos Peripherie ist bitterarm. Ein Viertel der Menschen muss hier mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. Das spielt den Sex-Touristen in die Hände. Sie zahlen schon einmal über 100.000 Euro für ein Mädchen – je nach Aussehen, Alter, Dauer der Ehe und Jungfräulichkeit.

Kairos Peripherie ist bitterarm. Ein Viertel der Menschen muss hier mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. Das spielt den Sex-Touristen in die Hände. Sie zahlen schon einmal über 100.000 Euro für ein Mädchen – je nach Aussehen, Alter, Dauer der Ehe und Jungfräulichkeit. Es gibt sogar Pauschalangebote, inklusive Hotelzimmer oder Appartement. Der "Bräutigam" hält sein Gewissen rein, denn außerehelicher Sex ist im Islam verboten. Strafrechtlich hat die Eheschließung keine Relevanz für den Mann.

Keine Beeinträchtigung des Sex-Tourismus

Wohl aber für die Vermittler. Anwalt Moselhy brachte 2012 die Kupplerin "Ousha" und ihre Gehilfen vor Gericht. Insgesamt elf Personen. Sie bekamen Haftstrafen von sechs Monaten bis zu 18 Jahren. Der Vorwurf: Menschenhandel. Geschadet hat das dem Business kaum. Zwar gibt es keine offiziellen Zahlen, doch NGOs schätzen, dass nach wie vor tausende Männer jährlich nach Ägypten kommen und sich eine Sommerbraut suchen.

Howeida hat mittlerweile aufgehört damit. Sie lebt noch immer bei ihrem Vater und ihrer Stiefmutter. "Ich habe keine Angst mehr vor ihnen, aber ich hasse sie. Vor allem meinen Vater. Warum hat er das zugelassen?"

Howeida sucht nun einen richtigen Mann für eine echte Ehe. Doch es ist nahezu aussichtslos. Als ehemalige Sommerbraut gilt sie nicht mehr als "ehrbare Frau". Kaum ein Mann in der konservativen ägyptischen Gesellschaft wird eine Frau wie sie heiraten.

Elisabeth Lehmann, Eva Plesner und Flemming Weiß-Andersen

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