Schams kauft sich einen Mann

Ägypten streitet über einen Film: Eine Frau heiratet, um per Samenspende ein Kind zu bekommen, dann lässt sie sich wieder scheiden. Eine Fernsehmoderatorin griff das Thema auf - und muss ins Gefängnis. Von Dunja Ramadan

Von Dunja Ramadan

Auf den ersten Blick ist es eine der traditionellen "Salon-Szenen", wie sie in der arabischen Welt täglich ablaufen: Zwei Heiratswillige betrachten einander vorsichtig im Kreise ihrer Familie - selbstverständlich aus gebotener Distanz. Sie sprechen über das gemeinsame Heim (Miet- oder Eigentumswohnung?), die Hochzeitsfeier (Hotel oder Hochzeitssaal?), die Brautgabe (Goldschmuck oder Geld?).

In dem ägyptischen Film "Ich kaufe mir einen Mann" verläuft das Gespräch, nun ja, etwas anders. Nelly Karim in der Rolle der Braut Schams kommt zu spät von der Arbeit und lässt sich (anders als ihre Mutter) nicht von der hohen Position des Bräutigams beeindrucken. Stattdessen fragt sie: "Wie stellst du dir die Verteilung der ehelichen Pflichten vor?" - "Der Mann ist der Mann und die Frau eben die Frau", sagt die künftige Schwiegermutter. "Ich meine, ich kann ja nicht stillen", fügt der Bräutigam hinzu und lacht, um die Situation zu entschärfen. "Wieso nicht? Kannst du keine Flasche halten?", fragt Schams. Damit verscheucht sie ihn.

Schams, eine erfolgreiche Bankerin, ist Mitte dreißig und unverheiratet - in einem solchen Alter gilt dies in der arabischen Gesellschaft als Makel. Nach allerlei negativen Erfahrungen mit Männern hat sie inzwischen nicht mehr vor zu heiraten. Nur der Wunsch, Mutter zu werden, ist groß.

Eine Heirat schweren Herzens

Als ihr Frauenarzt erklärt, dass sie nur noch eine 40-prozentige Wahrscheinlichkeit hat schwanger zu werden, gerät sie ins Grübeln. Sex vor der Ehe ist in der arabisch-islamischen Gesellschaft ein Tabu, und ihre Mutter möchte sie als Braut sehen, also beschließt sie zu heiraten, Mutter zu werden - und sich wieder scheiden zu lassen.

Die ägyptische Moderatorin Doaa Salah im ägyptischen TV-Sender An-Nahar ; Quelle: An-Nahar TV
Zu drei Jahren Haft verurteilt: Die ägyptische Moderatorin Doaa Salah griff im TV-Sender An-Nahar das Thema des Films "Ich kaufe mir einen Mann" auf. Ägyptens Moralprediger sahen darin einen Affront und zur öffentlichen Anstiftung von Ausschweifungen. Außerdem soll sie eine Strafe von 10.000 ägyptischen Pfund zahlen.

Sie erstellt das Facebook-Profil "Ich kaufe mir einen Mann" und verspricht dem Bräutigam Geld, wenn er sie heiratet und schwängert - durch eine künstliche Befruchtung. Mohamed Mamdouh, ein bulliger Typ mit treuherzigem Blick, spielt den Tierarzt Bahgat, der Geldprobleme hat und auf ihr Angebot eingeht. Sie heiraten, und weil "Ich kaufe mir einen Mann" eine romantische Komödie ist, wird Schams erst schwanger, als sie sich ineinander verlieben.

So konventionell das Ende ist, so revolutionär ist der Inhalt: Die Ehe als reine Hülle, Instrument, ja, Trick, damit eine Frau sich ihren Mutterwunsch erfüllt - für viele Zuschauer war das zutiefst unmoralisch. Zwar gibt es in Ägypten die sogenannte "Urfi-Ehe", eine Art zeitlich begrenzten Ehevertrag, der von staatlicher Seite nicht anerkannt wird und für Frauen erhebliche Risiken mit sich bringt. Kinder, die daraus entstehen, gelten vor dem Gesetz als unehelich. Außerdem muss der Mann bei einer der Trennung keinen Unterhalt zahlen.

Keine Schande, sondern Realität

Die Drehbuchautorin Enas Lotfi, die "Ich kaufe mir einen Mann" in einem Interview vor allem als Komödie beschrieb, hat eine klare Botschaft: "Der Begriff der alleinerziehenden Mutter ist keine Schande, er ist Realität." Mittlerweile enden in Ägypten 40 Prozent der Ehen in den ersten fünf Jahren. Vor fünfzig Jahren waren es im gleichen Zeitraum sechs Prozent. Sie habe mit dem Film die Heuchelei in der ägyptischen Gesellschaft anprangern wollen, so Lotfi.

Oft sind es die Frauen, die Kinder und Haushalt schmeißen - im Alltag sind sie also fast alleinerziehend, doch die Gesellschaft will sie trotzdem unter dem Status "verheiratet" führen.

Die ägyptische Moderatorin Doaa Salah griff im TV-Sender An-Nahar das Thema des Films auf. Wenn sich ein Paar einvernehmlich für die Praxis Imam-Samenprobe-Imam entscheidet - so lautet der Slogan des Films -, sei das völlig in Ordnung, so Salah. Ein ägyptisches Gericht hat sie nun wegen kontroverser Äußerungen und Anstiften zu Ausschweifungen zu drei Jahren Haft verurteilt.

Dunja Ramadan

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