Ein politisch motivierter Fall?

Nach der Festnahme des prominenten ägyptischen Journalisten Ahmed Mansour in Berlin hatten Menschenrechtler und Medienverbände die deutsche Justiz davor gewarnt, sich "zum Erfüllungsgehilfen eines Willkürregimes in Kairo" zu machen. Inzwischen ist Mansour wieder frei. Aus Kairo informiert Karim El-Gawhary.

Von Karim El-Gawhary

Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein ausländischer Haftbefehl in Deutschland vollstreckt wird. Wenn der Betroffene aber ein bekannter Journalist ist und der Haftbefehl von der fragwürdigen ägyptischen Justiz ausgeht, dann wird der Fall zum Politikum.

Genau das ist geschehen, seit am letzten Samstag (20.06.2015) Ahmed Mansour, der die in der arabischen Welt bekannte Interviewsendung "Bi la Hudud" (Ohne Grenzen) bei dem TV-Sender Al-Dschasira moderiert, von der Bundespolizei am Flughafen Berlin-Tegel festgenommen wurde. Erst am Montag (22.06.2015) wurde der 52-Jährige wieder frei gelassen.

Doch schon bei der Frage, ob es wirklich einen von Interpol weitergeleiteten Haftbefehl gibt, scheiden sich die Geister. Laut Al-Dschasira hatte Interpol den von den ägyptischen Behörden geforderten Haftbefehl im letzten Oktober abgelehnt. Mansour habe nach eigenen Angaben der Polizei bei seiner Verhaftung entsprechende Dokumente vorgelegt. Sein Berliner Anwalt Fazli Altin erklärte, den deutschen Behörden lägen eine Fahndungsnotiz sowie ein Auslieferungsbegehren vor.

Ein absurdes und fabriziertes Urteil

Al-Dschasira-Journalist Ahmed Mansour, Foto: picture-alliance/dpa/Al-Dschasira
Im visier des ägyptischen Regimes: Der Al-Dschasira-Journalist Ahmed Mansour weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als politisch motiviert zurück. Nach seinen Angaben wurde er auf Anweisung der deutschen Behörden "und nicht auf Grundlage eines von Interpol ausgestellten Haftbefehls" festgenommen. Interpol erklärte, keine sogenannte "Red Notice" gegen Mansour ausgestellt zu haben. Dabei handelt es sich um einen Warnhinweis, dass ein Verdächtiger in einem Interpol-Mitgliedstaat gesucht wird. Interpol verwies im Fall Mansour auf die deutschen und ägyptischen Behörden.

Der 52-jährige Journalist war im letzten Jahr in Abwesenheit von einem ägyptischen Strafgericht zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, weil er an der Folterung eines Anwalts auf dem Tahrirplatz 2011 beteiligt gewesen sein soll. Mansour selbst nannte das Urteil "absurd und fabriziert". In dem Prozess habe kein einziger brauchbarer Beweis vorgelegen. Zum Tatzeitpunkt sei er nicht auf dem Tahrirplatz gewesen, das Opfer habe er nicht gekannt. Mansour bezeichnete es als "grotesk, dass ein Land wie Deutschland eine Anfrage eines diktatorischem Regime wie das in Ägypten unterstützt".

Der Journalist war nach Berlin gereist, um den Dschihad-Experten Guido Steinberg zu interviewen. Ägyptische Gerichte sprechen normalerweise bei der Abwesenheit des Angeklagten und seiner Verteidiger die Höchststrafe aus, wenn sie ihn nicht als unschuldig freisprechen.

In den letzten Monaten hatte sich die Justiz durch zahlreiche Schnellverfahren und Massentodesurteile diskreditiert, die laut Menschenrechtsorganisationen fern jeglicher Rechtsstaatlichkeit gesprochen wurden.

Keine Komplizenschaft mit dem ägyptischen Regime

Islamismusexperte Guido Steinberg, Foto: DW
Empörung bei Guido Steinberg: Nach der Aufzeichnung der Interviewsendung "Bi la Hudud" (Ohne Grenzen) mit dem Terrorismus- und Islamismus-Forscher Guido Steinberg wurde der Al-Dschasira-Reporter Ahmed Mansour in Berlin festgenommen. Steinberg kritisiert, dass die deutschen Behörden dem ägyptischen Regime dabei helfen, einen "Dissidenten mundtot zu machen".

Al-Dschasira forderte am vergangenen Sonntag die sofortige Freilassung seines prominenten Mitarbeiters. Grünen-Chef Cem Özdemir sah in dem Fall "viele Fragezeichen", seine Parteikollegin Franziska Brantner warnte die Justiz davor, sich "zum Erfüllungsgehilfen eines Willkürregimes in Kairo" zu machen. In Berlin protestierten kurz nach dem Bekanntwerden der Festnahme etwa 100 Menschen vor dem zuständigen Gericht für ein Freilassung Mansours.

Ägypten und das Emirat Qatar, das den Fernsehsender Al-Dschasira finanziert, tragen seit der Absetzung der Muslimbrüder von der Macht in Ägypten eine öffentliche Fehde aus. Qatar unterstützt die Muslimbruderschaft, Al-Dschasira gehört zu den größten Kritikern des Regimes in Kairo.

Bereits im Dezember 2013 waren drei Journalisten des TV-Senders in Kairo festgenommen worden, darunter der australische Korrespondent Peter Greste. Er wurde im Februar nach 400 Tagen Haft nach Australien ausgewiesen. Das Verfahren stieß auf heftige Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Die Anhänger des Regimes in Kairo feierten Ahmed Manours Festnahme als Zeichen für den Erfolg des Staatsbesuches Al-Sisis in Berlin Anfang des Monats.

Karim El-Gawhary

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